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Was braucht es für die Bäume der Zukunft?

Bettina Walch
Baumallee, die Strasse in einer Stadt säumt und mit Wildblumen bewachsen ist.

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7 Minuten Lesezeit

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Bäume sind wertvolle Verbündete, wenn es darum geht, die Folgen des Klimawandels zu mildern. Sie kühlen die Luft, schützen vor Überschwemmungen, absorbieren CO₂ und erhöhen die Artenvielfalt. Doch haben auch Bäume mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen.

Wir alle mögen Bäume. Sie tragen zum Wohlbefinden bei und wirken positiv auf uns, auch wenn wir uns dessen gar nicht bewusst sind. Und der kühlende Schatten einer Allee fühlt sich angenehmer an als der Schatten von Gebäuden. Deshalb wollen immer mehr Städte den Anteil der baumbeschatteten Fläche erhöhen. Aktuell ist jedoch das Gegenteil der Fall. Bäume wie auch Kronenfläche nehmen laufend ab, hauptsächlich auf Privatgrund.

Doch ist der Baum nicht nur Schattenspender und Klimaanlage, sondern auch wichtiger Lebensraum. Und wenn es ums Schaffen von «Schwammstädten» geht, sind Bäume ebenfalls ideal, um Überschwemmungen zu vermeiden und die Kanalisation zu entlasten, wenn die Umgebung entsprechend mitgeplant wird (mehr zum «Schwammstadt-Prinzip» im Artikel «Grün-blau-bunt: Regenwasser als Grundlage für biodiverse Siedlungsräume»).

Das Wichtigste zuerst: Wahren wir den Bestand

Es liegt auf der Hand: Ein ausgewachsener Baum verdunstet dank seiner grösseren Krone und damit mehr Blattfläche mehr Wasser als ein junger. Grossmeisterin darin ist die Platane. Ab einem Alter von 50 Jahren verdunstet sie im Sommer bis zu 500 Liter Wasser – pro Tag. Damit kühlt sie ihre Umgebung um bis zu 7 Grad ab. Der Stadtzürcher Durchschnittsbaum kommt laut Grün Stadt Zürich auf gerade mal einen Fünftel der Blattfläche einer Platane und verdunstet rund 25-mal weniger Wasser als diese.

Ein Baum verdunstet nicht nur Wasser, er speichert auch CO₂. Je dicker der Stamm und je stärker sein Wachstum, desto mehr CO₂ speichert er. Die Blätter filtern ausserdem Schadstoffe aus der Luft, das können mehr als zwei Kilo Stickstoffoxide pro Jahr und Baum sein.

Doch sind es nicht nur diese Ökosystemleistungen, die dafür sprechen, dem vorhandenen Baumbestand Sorge zu tragen – es geht auch um Kosten. Um beispielsweise eine 100-jährige Buche mit ihren 1500 Quadratmetern Blattoberfläche zu ersetzen, müssten wir 2000 Jungbäume pflanzen, was etwa 100'000 Franken kosten würde, wie Buchautor und Naturfotograf Conrad Amber berechnet hat. Und der volkswirtschaftliche Preis ist noch höher, da Jungbäume weniger dieser Gratisleistungen erbringen, von denen wir alle profitieren.

Dennoch nimmt der Baumbestand auf Stadtflächen ab, weil im Rahmen der Verdichtung oft die alten Gärten und ihre über Jahrzehnte gewachsenen Bestände zerstört werden. Gleichzeitig schwindet damit die lokale Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten. Beim Baum der Zukunft geht es also um weit mehr als um Hitzeminderung, CO₂-Speicher und Schadstofffilter. Bäume sind wichtige Lebensräume für unsere wilden Nachbarn und wichtiges Standbein der Biodiversität.

Ganzheitlich denken: Wir brauchen ökologisch wertvolle Lebensräume

Unsere Lebensgrundlage ist die Vielfalt der Lebensräume und ihrer Arten. Es sind also nicht nur Tiere und Pflanzen, die auf intakte Lebensräume angewiesen sind, sondern auch wir Menschen. Sucht man online nach dem Begriff «Klimabäume», geht es bei den Treffern meist um Hitze- und Trockenheitsresistenz – so weit, so gut, das braucht es auch. Doch braucht es Klima- und Naturschutz und damit Bäume, die ökologisch wertvoll sind, also möglichst einheimisch. Blauglockenbaum und Ginkgo sind hier keine Hilfe.

Laut der Forschungs- und Beratungsgemeinschaft für Stadtökologie und Wildtierforschung SWILD beherbergt ein Ginkgo weniger als zehn Insektenarten, eine Linde hingegen über 200 und eine Eiche bis zu 500. Dabei bietet die Eiche auch gleich noch Unterschlupf für Dutzende von Vogelarten, aber auch für Siebenschläfer oder Fledermäuse, Moose, Pilze und Flechten. Die Flaumeiche ist zudem recht trockenresistent. Noch wichtiger als heimisch oder nicht-heimisch ist hingegen, keine invasiven Neophyten zu pflanzen wie Essig- oder Götterbäume.

Ein grosser Eichenbaum in einer Stadtgärtnerei.

Eine Eiche wirkt nicht nur als Schattenspenderin und Verdunstungskünstlerin, sondern bietet auch wertvollen Lebensraum für bis zu 500 verschiedene Insektenarten. Bild: Sandra Gloor/swild.ch

Wahrscheinlich sind Bäume aus Südosteuropa keine schlechte Lösung in diesem Zielkonflikt, sie sind näher verwandt mit unseren Arten und gleichzeitig besser an Trockenperioden und Hitze angepasst. Der Schneeballblättrige Ahorn kann ebenfalls gut mit Hitze umgehen und scheint im Winter etwas mehr Salz zu vertragen.

Alles für die Katz: Ohne die richtige Pflege nützt der beste Gestaltungsplan nichts

Jeder Baum braucht Platz für seine Wurzeln, damit sie sich entfalten können, also eine genügend grosse Baumgrube. Idealerweise schaffen wir für unsere Stadtbäume Kanäle, damit sich benachbarte Bäume über die Wurzeln berühren können, ein Prinzip, das auch unter dem Namen «Stockholmer Modell» bekannt ist. Stockholm, Toronto, Melbourne und die Stadt New York sind führend, wenn es um durchgängige Wurzelräume von prächtig gedeihenden Stadtbäumen geht.

Der Bodenbelag muss zumindest sickerfähig sein. Woher sonst soll der Baum das Wasser zum Verdunsten beziehen, wenn kein Regenwasser seine Wurzeln erreicht? Es ist erstaunlich, wie Bäume teilweise trotz winzig kleiner Baumscheiben und anderer Widrigkeiten noch einigermassen überleben können.

Idealerweise ist die Baumscheibe gross und naturnah belassen. Anja Erni, erfahrene Baumpflegerin, empfiehlt ausserdem, Stauden oder zumindest eine Wiese rund um den Baum wachsen zu lassen. Dank ihres Schattens trocknet der Boden weniger aus. Ausserdem soll der Baum seine Nährstoffe wieder aufnehmen können. Wo also der Baum geschnitten werden muss oder ein Ast abbricht, kann etwas altes Holz gehäckselt und auf die Baumscheibe gelegt werden, das fördert ebenfalls den natürlichen Stoffkreislauf, genauso wie Komposttee. Gleichzeitig darf es keine Staunässe geben, das mögen Bäume nicht. Das Wasser soll bei Starkregen also abfliessen können.

Die Natur hat ihre eigene perfekte Ordnung und unser «pützleti» Ordnungssinn arbeitet dem der Natur meist zuwider. Das gilt generell auch für die Umgebung der Bäume. Abgeblühtes stehen lassen, nur zweimal jährlich mähen und dem Baum geht es prächtig, weil die Mikroorganismen was zu tun haben, insbesondere, wenn wir das Totholz liegen lassen. Daher ist es auch ideal, Leguminosen rund um die Baumscheibe zu pflanzen. Sie binden den Stickstoff und machen den Boden wasserdurchlässig, sagt Anja Erni.

Was noch?

Die Natur mag keine Monokultur und idealerweise pflanzt man verschiedene Baumarten. Dann rafft ein Schädling – egal ob Insekt oder Pilz – nicht gleich den ganzen Bestand weg. Hilfreich ist ausserdem, auf Wildformen zu setzen, das gilt auch für Blumen und Stauden oder Sträucher. In ihrer ursprünglichen Form bieten sie viel mehr Nahrung für Insekten, was wiederum mehr Futter für Vögel, Eidechsen und Co. bedeutet.

Bäume stehen fürs Leben, jedes Individuum ist einzigartig. Geben wir ihnen den Platz, den sie verdienen. Sie relativieren auch so schön: Waren sie doch vor uns da und werden es hoffentlich auch nach uns noch sein.

Mehr Baum-Wissen

Dieser Artikel basiert unter anderem auf dem Podcast des «Pflanzenfreunds» unter dem Titel «Bäumige Hoffnungsträger» mit Baumpflegerin Anja Erni. Reinhören lohnt sich – für mehr Wissen rund um Bäume und ihre Pflege.

Der Biodiversitätsindex von SWILD basiert auf einer Bewertung der häufigsten Baumarten grösserer Schweizer Städte und sogenannter Zukunftsbaumarten, welche bezüglich des Klimawandels als tolerant eingestuft werden.

Titelbild: Sandra Gloor/swild.ch


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