Mitwirkung der Einwohner:innen
Der Weg zu Netto-Null ist ein Zusammenspiel von Vorschriften, Lenkungsmassnahmen und Überzeugungsarbeit. Diese reicht von der Sensibilisierung der Bevölkerung mit Informationen über Beratung und Förderung bis hin zur Erarbeitung gemeinsamer Ziele. Das angestrebte Resultat: dass jede:r Einzelne Verantwortung übernimmt.
Die Partizipation hat viele Facetten. Mögliche Formen der Mitwirkung sind:
- Vernehmlassungen
- Bürgerpanels
- Workshops
- Umfragen
Mit wenig Aufwand sensibilisieren
Privates Engagement beginnt mit Sensibilisierung. Dafür stehen der Gemeinde viele Möglichkeiten zur Verfügung:
- Anlässe wie Neuzuzüger:innen-Apéros eignen sich, um über Massnahmen gegen den Klimawandel zu sprechen und den privaten Handlungsspielraum aufzuzeigen.
- Mit Reparaturangeboten setzen Sie in Ihrer Gemeinde ein Zeichen gegen die Kurzlebigkeit von Produkten – und ressourcenschonenden Konsum.
- Unterstützen Sie private Initiativen, indem Sie Bewilligungsverfahren vereinfachen, Räume zur Verfügung stellen oder bei der Kommunikation helfen.
Sensibilisierung für das Thema Netto-Null muss nicht aufwendig und teuer sein. Auch Gemeinden mit wenig Ressourcen haben Möglichkeiten, Private für ressourcenschonendes Verhalten im Alltag zu begeistern:
- Ergänzen Sie Ihre bestehende Kommunikation mit Tipps oder Informationen zu Klima, Konsum und Energie.
- Machen Sie sich Inhalte von Dritten zunutze und teilen Sie etwa auf Facebook, Instagram oder LinkedIn Beiträge von etablierten Umweltschutzorganisationen.
Gemeindebeispiele
- Neftenbach (ZH) nutzt die Umwelttipps von Pusch in den sozialen Medien.
- In Birsfelden (BL) sind die Umwelttipps von Pusch fester Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit, sei es in der Lokalzeitung, auf der Website oder auf Facebook.
- Riehen (BS), Bettingen (BS) und die Industriellen Werke Basel (IWB) publizieren in der Riehener Zeitung regelmässig eine redaktionelle Seite mit aktuellen Informationen und Hintergrundberichten rund um das Thema Energie.
- In Köniz (BE) ist das Repair-Café auch ein Statement für einen ressourcenschonenden Konsum.
- Ein Repair-Café ist mehr als nur eine Veranstaltung. Hainburg (D) kommuniziert mit Humor.
Fördern und beraten
- Beratungen und Förderangebote sind etablierte Instrumente, um Hauseigentümer:innen für mehr Energieeffizienz zu sensibilisieren. Kombinierte Massnahmen können die Wirkung verstärken: Verknüpfen Sie Beratungen mit Förderangeboten und gestalten Sie den Antragsprozess einfach und übersichtlich.
- Auch die Mobilität bietet vielfältige Ansätze, zum Beispiel in der Form von vergünstigten Abos für den öffentlichen Verkehr oder Sharing-Angeboten.
Überlegen Sie sich, wen Sie mit welchen Angeboten ansprechen möchten, und nutzen Sie passende Kommunikationsmittel.
Gemeindebeispiele
- Hochdorf (LU) zeigt im eigenen Förderprogramm Energie 2024 übersichtlich und konkret auf, welche Massnahmen in welcher Höhe unterstützt werden (siehe Artikel im Pusch-Magazin «Hochdorf setzt auf ein Miteinander für den Klimaschutz»).
- Neftenbach (ZH) hilft beim Antrag für Förderbeiträge mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung.
- Oftringen (AG) verknüpft die Informationsveranstaltung «erneuerbar heizen» mit einer Impulsberatung.
- Baden (AG) thematisiert die Förderangebote in einem anschaulichen Beitrag auf ihrem Umweltblog.
- Kriens (LU) baut das Veloausleih-Angebot kontinuierlich aus. Es ist für Krienser:innen kostenlos.
- Riehen (BS) führt Private Schritt für Schritt zur neuen Heizung.
- Walchwil (ZG) fasst die Informationen zu Förderung und Beratung übersichtlich in einem Flyer zusammen.
- Wil (SG) fördert die nachhaltige Mobilität mit Beiträgen an ÖV-Abos und die Anschaffung von Cargo-Bikes. Auch die Mobility-Mitgliedschaft ist für Wiler:innen kostenlos.
- Reinach (BL) hat für die eigene Bevölkerung eine vergünstigte Wärmebildaktion angeboten, um zu ermitteln, wo an Gebäuden Wärme verloren geht.
Dialog mit den Einwohner:innen
Direkter Austausch mit der Bevölkerung schafft Vertrauen und damit Akzeptanz. Möglichkeiten für Dialog gibt es dabei zahlreiche: Spontan im Alltag oder an einem Informationsanlass, mit einem Netto-Null-Stand am Wochenmarkt oder mit Workshops und anderen Veranstaltungen.
Gemeindebeispiele
- «So heizen die Nachbarn erneuerbar»: In Burgdorf (BE) präsentieren Einwohner:innen vor Ort an der Veranstaltung die eigenen Heizungssysteme und berichten von ihren Erfahrungen.
- «Klima-Gespräch»: Köniz (BE) diskutiert im Rahmen des Formats «Impuls Köniz» im öffentlichen Raum mit den Einwohner:innen.
- «Gemeinsam machen wir es möglich»: Dietikon (ZH) erklärt, was Netto-Null für die lokale Energieversorgung bedeutet, und nutzt dafür eine Informationsveranstaltung und Videostatements.
- «Energieapéro»: Oensingen (SO) kombiniert Beratung, Förderung und Dialog zum Thema Heizungsersatz.
Gemeinsame Aktionen
Veranstaltungen, Aktionen und Events bieten immer auch direkten Kontakt mit den Einwohner:innen und können viel bewirken. Mit interaktiven Elementen und Mitmach-Aktionen bauen Sie bei der Bevölkerung Berührungsängste ab und motivieren für mehr privates Engagement. Wer Anlässe gemeinsam mit Vereinen, Organisationen oder anderen Partner:innen ausrichtet, reduziert den eigenen Aufwand und verstärkt gleichzeitig die Reichweite.
Gemeindebeispiele
- Den Autoschlüssel gegen ein Mobilitätspaket tauschen? Kriens (LU) motiviert mit einer «Mobilitäts-Challenge» Private dazu ein, das eigene Mobilitätsverhalten zu reflektieren.
- Energie, die im Licht steckt: Neftenbach (ZH) lädt zum jährlichen Solarmobilrennen ein.
- «Erleben Sie Elektromobilität hautnah»: Tägerwilen (TG) bietet im Rahmen des e-Mobilitätstages kostenlose Probefahrten an.
- Mehrwert-Tag statt Bring- und Holtag: Bottmingen (BL) macht am neuen Mehrwert-Tag den Ressourcenverbrauch zum Thema und kombiniert Flohmarkt, Repair-Café und Zero-Waste-Stand.
- «Autofreie Sonntage im Quartier»: Winterthur (ZH) stärkt die Lebensqualität und setzt gleichzeitig Impulse für nachhaltige Mobilitätsformen.
- «Weniger ist weniger»: Die Umwelt- und Energiekommission und die Bibliothek von Buchs (SG) diskutieren am 2. Buchser Suffizienzsymposium Wege hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft.
- «Clever unterwegs»: Hochdorf (LU) kombiniert im Rahmen der Fussverkehrswoche verschiedene Aktionen rund um die Mobilität.
- Mit E-Mobilität zu Netto-Null: Die Stadt Wil (SG) hat sich Netto-Null bis 2030 für die Verwaltung und bis 2050 für die ganze Stadt zum Ziel gesetzt. Kostenlose Probefahrten machen die Bevölkerung mit Elektromobilität in der Praxis vertraut.
- Blick nach Deutschland: Jedes Jahr bieten die «Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit» vielfältige Erlebnisse und Aktionen für die Bevölkerung.
- Virtueller Energieweg: Flums macht lokale Erfolgsgeschichten interaktiv erlebbar.
- «Ausblick ins Jahr 2040»: Küsnacht erklärt die Netto-Null-Strategie auf YouTube mit einem «Ausblick ins Jahr 2040».
- «Davos +1.7 Grad Celsius konkret»: Davos erklärt in 10 kurzen Videoclips, was der Klimawandel für die Bündner Gemeinde konkret bedeutet.
Partizipation: gemeinsam gestalten
Netto-Null gelingt nur, wenn Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermassen Verantwortung übernehmen. Partizipative Prozesse sind aufwendig – aber sie lohnen sich. Denn mitwirken heisst mitdenken. Und gemeinsam erarbeitete Ziele verbinden und motivieren.
Machen Sie sich Gedanken zum Vorgehen, zu Ihren Erwartungen, zur möglichen externen Unterstützung und zum Zeitrahmen. Tauschen Sie sich mit anderen Gemeinden aus und profitieren Sie von den Erfahrungen anderer. Wichtig: Definieren Sie im Vorfeld, was mit den Ergebnissen eines Mitwirkungsprozesses passieren wird und kommunizieren Sie dies klar. So vermeiden Sie falsche Erwartungen.
Gemeindebeispiele
Winterthur (ZH): Winterthur versteht Partizipation als zentrales Element, um das eigene Klimaziel Netto-Null 2040 zu erreichen. Bevölkerung, Unternehmen und Vereine können sich über unterschiedliche Dialog- und Beteiligungsformate einbringen.
- In der Agenda sind alle kommenden Anlässe rund um das Klima aufgeführt, auch die Klimapartizipation.
- In der Veranstaltungsreihe «Klimadialog» tauschen sich Bevölkerung, Fachpersonen, Politik und Verwaltung regelmässig zu aktuellen klimapolitischen Themen aus.
- Ein Bürgerpanel mit zufällig ausgelosten Teilnehmer:innen befasste sich mit Food Waste und nachhaltiger Ernährung. Die Empfehlungen wurden öffentlich präsentiert und fliessen in die Massnahmenplanung der Stadt ein.
- Der Verein «Winterthur Nachhaltig» macht alle umweltrelevanten Aktionen und Anlässe in einem übersichtlichen Veranstaltungskalender sichtbar.
Thalwil (ZH): Thalwil versteht sich als Vorbild und strebt mit dem «Masterplan Klima» bis 2040 netto null Emissionen für die Gemeindeverwaltung an.
Im Rahmen des «Projekts Bürgerpanel Thalwil» ist die Bevölkerung eingeladen, aktiv an der Erarbeitung von Massnahmen zum Klimaschutz mitzuwirken.
Uster (ZH): In Uster haben sich 2021 im Rahmen eines Bürgerpanels 20 zufällig ausgeloste Einwohner:innen während vier Tagen mit den Themen Klima, Konsum und Abfall befasst. Die Empfehlungen aus dem Bürgerpanel sind in die Massnahmenplanung des Stadtrats eingeflossen.
- Mit Öffentlichkeitsarbeit begleitet
- Ergebnisse des Bürgerpanels
- Rückmeldung des Stadtrats zur Umsetzung der Empfehlungen
Lenzburg (AG): In Lenzburg setzt eine Interessengemeinschaft aus Mitgliedern des Einwohnerrats auf die Mitwirkung von Bevölkerung, Wirtschaft und Politik. Die «IG Klima-Zukunft Lenzburg» begleitet den Prozess hin zur Klimaneutralität der Gemeinde seit 2021.
Egnach (TG): Die Gemeinde Egnach hat sich im begleiteten Mitwirkungsprozess «Egnach2030: freiwillig – engagiert – enkeltauglich» mit der Agenda 2030 und den UNO-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) auseinandergesetzt. Daraus ist unter anderem eine Energie-Genossenschaft entstanden, die mit eigenen Projekten die Energiewende unterstützt.
Vaduz (LI): Die Liechtensteiner Hauptstadt Vaduz hat zusammen mit den Einwohner:innen und dem Gewerbe in begleiteten Workshops ein gemeinsames Verständnis für Nachhaltigkeit entwickelt und die Grundlagen für die Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet.
Wettbewerbe und Preise
Mit Auszeichnungen und Wettbewerben schaffen Sie Anreize für privates Engagement und Mitwirkung. Begleiten Sie die Ausschreibungen und Preisverleihungen kommunikativ – und zeigen sie die Gewinner:innen. Menschen mögen Erfolgsgeschichten.
Gemeindebeispiele
- Uster (ZH): Die Züricher Gemeinde würdigt mit ihrem eigenen Nachhaltigkeitspreis ausserordentliche Leistungen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Energie und Klima.
- Uri: Der Kanton Uri zeichnet mit dem «Urner Umweltpreis» nachhaltige Projekte, innovative Ideen oder Engagements für ein intaktes Klima aus.
- Einsiedeln (SZ): Einsiedeln zeichnet innovative Energieprojekte mit dem «Förderpreis Energie» aus. Ein Fokus liegt auf der öffentlichen Sichtbarkeit der Projekte.
- Blick nach Österreich: Die Plattform Klimawandeln.at motiviert Private, sich Ende Jahr mit dem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen, macht die Klimavorsätze sichtbar und schafft mit Verlosungen Anreize zum Mitmachen.
Kreative Ideen
Neue Ideen fallen auf. Doch Ihnen fällt nichts Kreatives ein?
Stecken Sie mit ein paar motivierten Mitarbeiter:innen die Köpfe zusammen. Veränderungen beginnen oft mit einem offenen Brainstorming. Oder sprechen Sie junge oder neue Kolleg:innen an. Ein frischer Blick kann eine Chance sein, Bewährtes neu zu denken. Und lassen Sie sich von den Beispielen inspirieren, die wir für Sie zusammengestellt haben. Abschauen ist ausdrücklich erlaubt.
Gemeindebeispiele
- Kilchberg (ZH): Die Zürcher Gemeinde hat für das Neujahrsblatt 2021 die Zukunftsvisionen von jungen Kilchberger:innen abgeholt und unter dem Titel «Kilchberg im Jahr 2040» veröffentlicht. Zitate daraus könnten zum Beispiel auf der Website oder in den sozialen Medien verbreitet werden und so mit wenig Aufwand die Wirkung verstärken.
- Hochdorf (LU): In Hochdorf können sich Einwohner:innen kostenlos Energiemessgeräte ausleihen und sich mit dem eigenen Energieverbrauch auseinandersetzen. Denkbar wäre eine ergänzende Kommunikation zu den Ausleihzahlen oder zum gemessenen Verbrauch, kombiniert mit einem Wettbewerb (siehe Artikel im Pusch-Magazin: «Hochdorf setzt auf ein Miteinander für den Klimaschutz»).
- Lenzburg (AG): Die Aargauer Gemeinde feiert das 10-jährige Jubiläum als Energiestadt mit einer Ausstellung in drei ehemaligen Telefonkabinen.
- Riehen (BS): Riehen spielt mit einem Fussball-Begriff und erzählt unter «Wir sind Champions League» mit Portraits lokale Erfolgsgeschichten aus den Bereichen Energie und Mobilität. Eine Alternative zur gedruckten Broschüre könnte eine kleine Serie von individuellen Erfolgsgeschichten in den sozialen Medien sein.
- Blick nach Österreich: Zum Jahresende sind viele Menschen bereit, ihr Verhalten zu reflektieren. Lenken Sie den Blick spielerisch auf das Klima, wie es die Plattform klimawandeln.at mit den Klimavorsätzen macht. Greifen Sie die Resultate auf, zum Beispiel in den sozialen Medien, und ergänzen Sie die privaten Vorsätze mit eigenen kommunalen Commitments.