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Biodiversitätsverlust: Breite Sensibilisierung dringend notwendig

Clivia Bucher
Andreas Schuler
Illustration einer Schwalbenschwanzraupe

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Biodiversität

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Wie zwei Umfragen von Pusch und BirdLife Schweiz zeigen, fehlt in der Schweiz das Bewusstsein für den schlechten Zustand der Biodiversität. Daraus wird deutlich, wie notwendig breit angelegte Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen sind. Denn nur wer das Problem sieht, ist auch bereit, an einer Lösung mitzuwirken.

Der Zustand der Biodiversität in der Schweiz ist besorgniserregend. Knapp die Hälfte aller untersuchten Tier- und Pflanzenarten sind bedroht. Um diesen Trend zu stoppen, sind Massnahmen zur Förderung der Biodiversität unabdingbar. Damit dabei alle am gleichen Strick ziehen, braucht es ein breites Bewusstsein dafür, was der Artenverlust für die Umwelt und die Menschen bedeutet.

Um abzuschätzen, wie es um dieses Bewusstsein steht, haben Pusch und BirdLife Schweiz zwei breit abgestützte Umfragen durchgeführt. Das Ergebnis ist eindeutig: Es besteht Handlungsbedarf. Offenbar fehlt es in der Schweiz an Aufklärung und Sensibilisierung in Sachen Biodiversität. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass das Thema noch nicht die Aufmerksamkeit erhält, die es angesichts der Fakten verdient hätte.

Die zwei Umfragen

Bei den beiden von Pusch und BirdLife durchgeführten Umfragen handelt es sich um eine Online- und eine Telefonumfrage. An der Online-Umfrage nahmen von Juli bis September 2022 1'910 erwachsene Personen aus der Schweiz mit einer hohen Affinität zu Biodiversitätsthemen teil. Die Telefonumfrage richtete sich an die breite Bevölkerung und wurde im Oktober 2022 vom Markt- und Sozialforschungsinstitut gfs-zürich mit 1'007 Personen durchgeführt.

Auf der Basis der beiden Umfragen konnte ein differenziertes Bild über das Problembewusstsein, den Wissensstand und den Aktivierungsgrad verschiedener Akteur:innen in Bezug auf das Thema Biodiversität gewonnen werden. Dies kann dabei helfen, die Problemfelder zu erkennen und gezielt verschiedene Bevölkerungsgruppen zum Handeln zu bewegen.

Die Bevölkerung ist zu optimistisch

Eine zentrale Erkenntnis aus den Umfragen ist, dass die Gefahren unterschätzt werden, die der Biodiversitätsverlust mit sich bringt: So sehen nur 3 Prozent der befragten Personen die Biodiversitätskrise als Bedrohung für unseren Planeten. Die Schweizer Bevölkerung ist trotz gegenteiliger Faktenlage mehrheitlich der Meinung, dass es um die Biodiversität in der Schweiz gut bestellt ist (54%; «sehr gut»: 4%, «eher gut»: 50%). Hier zeigt sich, dass die Gesellschaft den Zustand der Biodiversität insgesamt viel zu optimistisch einschätzt. Ein anderes Bild zeigt sich bei den Personen, die bereits eine gewisse Affinität zum Thema haben. Sie schätzen den Zustand der Biodiversität mehrheitlich als schlecht ein (72%; «sehr schlecht»: 20%, «eher schlecht»: 52%). Dies deutet darauf hin, dass mit der Nähe zum Thema auch das Problembewusstsein steigt.

Diagnose: schlecht informiert

Ein grundsätzliches Problem, das bei der Analyse der Umfrageergebnisse deutlich wird, ist der eher schlechte Informationsstand der Bevölkerung. So schätzen die Teilnehmer:innen der Bevölkerungsumfragen ihren Wissensstand zum Thema Biodiversität auf einer Skala von 0 = «nicht informiert» bis 5 = «sehr gut informiert» im Mittel mit 2.8. ein. Aber auch bei den biodiversitätsaffinen Personen könnte der Informationsgrad optimaler sein. Hier schätzen sich die Personen im Mittel auf einen Wert von 3.2. Dies kann ein Hinweis sein, wieso die Schweizer Bevölkerung den Zustand der Biodiversität zu optimistisch einschätzt, was wiederum den hohen Bedarf einer breiteren Vermittlung der entsprechenden Informationen und Fakten aufzeigt. Denn offenbar mangelt es dem Artenverlust und damit einem der derzeit drängendsten Themen an Publizität und Aufmerksamkeit.

Aufzeigen, was man tun kann

Ein wichtiger Hebel zur Biodiversitätsförderung sind naturnah gestaltete Flächen im Siedlungsraum. Wie die Online-Befragung zeigt, wird dieses Potenzial jedoch noch zu wenig genutzt. Nur 45 Prozent der Personen mit hoher Themenaffinität geben an, dass der ihnen zur Verfügung stehende Aussenraum grösstenteils naturnah gestaltet ist. Es ist davon auszugehen, dass dieser Wert über die gesamte Bevölkerung gesehen noch tiefer liegt.

Als grösstes Hindernis für eine naturnahe Gestaltung der Aussenräume wurde die «fehlende Zeit» genannt. Ebenfalls genannt wurde das Fehlen von «helfenden Händen», die Befürchtung, dass die Gestaltung zu «schwierig/kompliziert» wird, die «Unsicherheit, wie man eine neue Gestaltung umsetzen kann», die «Kosten» oder aber «mangelndes Fachwissen». Viele dieser Hürden können mit Kommunikationsmassnahmen abgebaut werden. Dabei geht es vor allem darum aufzuzeigen, wie eine naturnahe Umgestaltung der Aussenräume einfach und mit wenig Aufwand umgesetzt werden kann.

Das Grundinteresse ist vorhanden

Die Umfragen zeigen, dass das Bewusstsein für den Zustand der Biodiversität nicht ausreichend ist. Sie zeigen aber auch, dass ein grundsätzliches Interesse am Thema besteht und die Biodiversität den Menschen durchaus am Herzen liegt. Was jedoch fehlt, sind das nötige Grundwissen und die Kenntnis konkreter Handlungsmöglichkeiten. Nur wenn diese Grundlagen vorhanden sind, können ein entsprechendes Problembewusstsein und die Motivation entstehen, etwas gegen den Artenrückgang zu tun. Wenn wir den besorgniserregenden Trend des Biodiversitätsrückgangs stoppen wollen, braucht es daher eine umfassende Sensibilisierung und Wissensvermittlung, welche die gesamte Bevölkerung erreicht.

Den detaillierten Bericht zu den Umfragen finden Sie auf der Projektseite.

Biodiversität. Jetzt!

Damit die Biodiversität im Siedlungsraum tatsächlich zu einer Priorität wird, lancieren die Stiftung Pusch und BirdLife Schweiz nächstes Jahr das nationale Gemeinschaftsprojekt «Biodiversität. Jetzt!». Es fördert gemeinsam mit einer breit abgestützten Partner-Allianz die Biodiversität im Siedlungsraum durch eine Informationsoffensive, eine digitale Informationsplattform und Mitmachaktionen. Das umfassende Massnahmenpaket trägt zur Schaffung naturnaher Grünflächen bei, verbessert die Lebensqualität der Bevölkerung und unterstützt die Anpassung an den Klimawandel.


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