Energieeffizienz: Schlieren analysiert die eigenen Liegenschaften
Um das Energiesparpotenzial möglichst auszuschöpfen, nimmt Schlieren die städtischen Immobilien unter die Lupe. Die ersten Auswertungen zeigen: Schon im Gebäudeunterhalt können die Hauswarte viele Optimierungen vornehmen. Es geht aber nicht ohne die Mitwirkung aller, die täglich in den Gebäuden arbeiten.
Seit 2008 trägt die Stadt Schlieren (ZH) das Label «Energiestadt». Um diese Auszeichnung zu behalten, müssen sich Energiestädte kontinuierlich für eine effiziente Nutzung von Energie, den Klimaschutz, erneuerbare Energien und eine umweltverträgliche Mobilität einsetzen. Die Energiebuchhaltung der 64 eigenen Liegenschaften, welche Schlieren mit Unterstützung der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) jährlich vornimmt, dient als Datengrundlage für die Energiesparmassnahmen der Stadt.
Auf Basis dieser Auswertung entschied sich Schlieren, bei knapp der Hälfte der Immobilien mit einer Efficiency-Gap-Analyse noch genauer hinzuschauen. Das Ziel: Verbesserungspotenzial zu eruieren und die passenden Massnahmen dafür zu ergreifen. Damit die Analyse auch Wirkung entfaltet, hat Bettina Zaugg, die bis Dezember 2020 für die Unterhaltsleitung der städtischen Immobilien zuständig war, einen praktischen Ansatz gewählt: «Solche Analysen werden häufig von oben angestossen und diskutiert, aber danach versandet das Thema wieder. Deshalb haben wir das Ganze gemeinsam mit den Hauswarten an der Front angepackt.» Angefangen im Jahr 2017, analysierten Zaugg und ihre Kollegen zusammen mit EKZ bislang neun Schulgebäude. Bis 2022 soll die Analyse von 30 Liegenschaften vorliegen.
«Mit der Efficiency-Gap-Analyse können wir oft ein Potenzial von 10 bis 20 Prozent oder sogar noch mehr Einsparung aufdecken.»
– Ralf Aregger, Energieberatung, Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ)
Heizen in den Schulferien?
Die Efficiency-Gap-Analyse hat zum Ziel, über den Energieverbrauch aufzuzeigen, wie effizient ein Gebäude ist und mit welchen Massnahmen der Verbrauch gesenkt werden kann. «Mittels Display-Methode wird der Energieverbrauch jedes Gebäudes auf einer Skala von A bis G in eine Effizienzklasse eingestuft», erklärt Ralf Aregger von EKZ. In einem zweiten Schritt geht es darum, bei einer Begehung vor Ort mögliche Schwachstellen aufzudecken. Dabei werden vor allem die Gebäudehülle, die Gebäudetechnik und das Nutzerverhalten im Detail überprüft. «Damit können wir oft ein Potenzial von 10 bis 20 Prozent oder sogar noch mehr Einsparung aufdecken.»
Bei der Gebäudehülle stellen sich etwa Fragen zur Fassade, Dämmung, zum Zustand und zur Abdichtung der Fenster. Handelt es sich um Holz- oder Metallfenster, sind sie einfach oder dreifach verglast? In welchem Zustand sind die Dichtungen bei Fenstern und Türen? Stehen die Türen immer offen oder werden sie geschlossen? Bei der Gebäudetechnik werden Heizungen, Lüftungsanlagen, die Beleuchtung und andere Geräte im Gebäude genauer betrachtet. In welchem Zustand sind sie? Wie sind sie eingestellt? Sind überall LED-Lampen eingebaut? Beim Nutzerverhalten sind beispielsweise die Nutzungszeiten relevant: Im Falle von Schulhäusern ist eine Nacht- oder Wochenendabsenkung zu diskutieren. Und wird das Gebäude in den Schulferien beheizt?
Arbeitspapier für die Front
Auf der Basis dieser Analyse erhält die Stadt pro Gebäude einen Bericht, inklusive Katalog mit möglichen kurz- und langfristigen Massnahmen. «Damit sehen wir auf einen Blick, was schnell umsetzbar ist und wo weitere Investitionen nötig sind. Das dient uns als Arbeitspapier im Alltag», sagt Zaugg. Solche praktischen Handlungshilfen für die tägliche Arbeit an den Immobilien würden häufig fehlen. Im Austausch mit EKZ setzen die Hauswarte nun kleinere Massnahmen im Rahmen des Unterhalts direkt um. Sie bauen zum Beispiel Dichtungen ein oder stellen die Heizungen dem Bedarf entsprechend besser ein.
Wasserklau aufgedeckt
Bei den neun analysierten Schulhäusern entdeckte EKZ verschiedene Verbesserungsmöglichkeiten, welche sich im Alltag umsetzen liessen: «Dort, wo die Analyse einen sehr hohen Energieverbrauch zeigt, suchen wir das Gespräch mit den Nutzenden, zum Beispiel mit der Schulleitung. Mit dem Bericht können wir nun genau aufzeigen, wo sie den Verbrauch tatsächlich senken können», erklärt Zaugg. Indem sie der Schule zeigt, wie sie zur Effizienzsteigerung beitragen kann, würde auch das Interesse am Thema geweckt. «Teilweise bauen Lehrpersonen das Thema auch in den Unterricht ein.»
Das Wichtigste in Kürze
Gemeinde: Schlieren ZH
Einwohnerzahl: 18‘750
Projektdauer: 2017 bis 2022
Projektziele: Optimierung der Energiebilanz der gemeindeeigenen Gebäude
Projektverantwortung: Abteilung Finanzen und Liegenschaften, Schlieren
Beratung: Ralf Aregger, Energieberatung, Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ)
Weitere Informationen:
Bei einem Schulhaus merkte man im Austausch beispielsweise, dass die Geräte in der Nacht alle auf Standby blieben. Auch die Heizungen in der schulfreien Zeit herunterzufahren, sei eine wichtige Massnahme. In einem Fall konnte durch die Analyse sogar aufgedeckt werden, dass ein fremder Hauswart einer privaten Immobilie bei einer städtischen Liegenschaft Wasser abzapfte.
Reklamationen verhindern
Manchmal sind Diskussionen – trotz detaillierter Verbrauchsdaten – aber nicht zu vermeiden, besonders hinsichtlich Raumtemperatur oder Beleuchtung. Schliesslich arbeiten Lehrpersonen oder Verwaltungsmitarbeitende mit teilweise sehr unterschiedlichen Bedürfnissen in den betroffenen Schulräumen und Büros. Zaugg berichtet von einem Test, bei dem ohne vorgängige Kommunikation die Temperatur in allen Gebäuden um zwei Grad gesenkt wurde: «Es gab solche, die gar nichts merkten, und andere, die sofort reklamierten.» Einerseits sollten die Mitarbeitenden in angenehmer Atmosphäre arbeiten können, andererseits wolle Schlieren energieeffizient agieren. Es sei eine Herausforderung, einen Mittelweg zu finden. Deshalb wünscht sich das Facility Management klarere Vorgaben, um nicht über jedes Detail im Unterhalt diskutieren zu müssen. «Wir brauchen eine Immobilienstrategie mit gewissen Rahmenbedingungen und Eckpunkten, auf die wir uns im täglichen Unterhalt berufen können.» Eine solche ist derzeit in Entstehung.
Regelmässige Kontrolle
Die jährliche Energiebuchhaltung zeigt, wie sich die Verbrauchszahlen im Vergleich zum Vorjahr verändert haben. Diese mehrjährige Betrachtung ist für Zaugg wichtig: «Wir sehen Jahr für Jahr, wo wir gerade stehen, und behalten die Entwicklung im Auge. Eine regelmässige Überprüfung der Fortschritte ist wichtig.» Dadurch zeige sich auch anschaulich, wenn geplante Verbesserungen nicht umgesetzt wurden oder nicht die gewünschte Wirkung erzielten.
Jeweils im Januar werten die Liegenschaftsverantwortlichen der Stadt gemeinsam mit den zehn Hauswarten und EKZ die Massnahmen und die Verbrauchszahlen des Vorjahres aus. Das fördere den Austausch, liefere neue Grundlagen für weitere Massnahmen und schaffe einen gewissen Ehrgeiz, erklärt Zaugg. «So möchte man Jahr für Jahr einen noch tieferen Energieverbrauch erreichen, weil man den Unterschied schwarz auf weiss sieht.»
Argumente für Investitionen
Grössere Massnahmen verlangen aber umfangreichere Investitionen. Sie fliessen ins Budget der Abteilung Finanzen und Liegenschaften ein oder werden mit geplanten Projekten kombiniert. Das Schulhaus Kalktarren zum Beispiel ist im Moment sanierungsbedürftig. «Es ist allen klar, dass im Rahmen der Sanierungsarbeiten einiges verbessert werden muss. Wie diese Optimierung im Detail aussieht, müssen wir nun aber mit den Informationen aus der Efficiency-Gap-Analyse genauer definieren.» Dabei stellen sich etliche Fragen: Macht eine Holzschnitzelheizung Sinn? Wäre Fernwärme eine Option? Soll die Fassade nur instandgesetzt werden oder baut man gleich noch Solarzellen ein? «Die Ausgestaltung der Massnahmen hängt am Ende davon ab, wie viel Geld dafür zur Verfügung gestellt wird.»
Dabei kann die Efficiency-Gap-Analyse die nötigen Argumente liefern. «Gerade Städte und Gemeinde müssen immer alles im Detail begründen können. Nun haben wir eine Grundlage für die Budgetsitzungen mit den politischen Entscheidungsträger:innen. Wir können genau aufzeigen, wo Investitionen heute wichtig sind, um künftig zu sparen», so Zaugg. Mit gut begründeten Argumenten in Richtung Nachhaltigkeit sei die Politik heute auch bereit, mehr Mittel zu sprechen. Es geht darum, finanzielle und ökologische Gründe zu kombinieren.
Dieser Artikel ist im «Thema Umwelt» 2/2021 erschienen.
Titelbild: EKZ