Gemeinde
Biodiversität
Praxisbeispiel

Biodiversität als Gemeinschaftsprojekt

Roberta Borsari
Nadine Siegle
Blühende Wildblumenwiese neben einer Quartierstrasse in einer Wohnsiedlung

·

5 Minuten Lesezeit

Biodiversität

Praxisbeispiel

Die St.Galler Gemeinde Flawil hat in den letzten Jahren viel für die Biodiversität getan – mit System. Ihr Erfolgsrezept: engagierte Personen, gute Zusammenarbeit und gezielte Kommunikation.

Die Gemeinde Flawil im Kanton St.Gallen ist ein Vorbild für die Förderung der Biodiversität. Seit 2019 hat sie über 7’000 Quadratmeter gemeindeeigener Flächen naturnah aufgewertet und mehr Lebensraum für Pflanzen und Tiere geschaffen.

Drei wichtige Erfolgsfaktoren in Flawil:

  • Systematisches Vorgehen

  • Gute Zusammenarbeit

  • Bewusste Kommunikation

Übersicht auf Papier

Im Jahr 2018 entstand das Flawiler Biodiversitätskonzept. Bei der Erarbeitung wurde die Gemeinde durch den Kanton St.Gallen finanziell unterstützt.

Ein wichtiges Instrument für Flawil war und ist eine visuelle Übersicht über die vorhandenen und geplanten Grünflächen. Sie vereinfacht die Planung und Umsetzung von biodiversitätsfördernden Massnahmen und macht die Vernetzung der Lebensräume sichtbar. «Vor rund fünf Jahren haben wir angefangen, unsere Flächen zu kartieren. Zu Beginn war das nur ein Papierplan», erinnert sich René Bruderer, Geschäftsleiter Bau und Infrastruktur der Gemeinde Flawil. Später habe der Unterhaltsdienst die Informationen ins Geoportal übertragen.

Nachtragen nicht vergessen

Die Übersicht zeigt, welche Flächen bereits aufgewertet wurden und wo noch Optimierungspotenzial besteht. So konnte der Unterhaltsdienst systematisch Fläche um Fläche in Angriff nehmen. Zum Beispiel ging es den Thujahecken und biodiversitätsarmen Rasenflächen an den Kragen. Dabei sind etwa im Annagarten und auf mehreren Schularealen vielfältige Blumenwiesen entstanden.

«Wenn man Jahr für Jahr neue Aufwertungen macht, muss man eine visuelle Übersicht haben, um den Überblick nicht zu verlieren», betont Bruderer. Denn auch der naturnahe Unterhalt will geplant sein. Die Übersicht ist aber nur so gut wie die Aktualität des Plans. Es gilt: Nachtragen nicht vergessen.

Die Fläche rund um einen dünnen Baumstamm und neben einer Sitzbank ist dicht bewachsen mit Blumen und Gräsern

Hand in Hand mit dem Naturschutzverein

Beim Kartieren und Verbessern des Plans hat der Naturschutzverein Flawil und Umgebung Hilfe geleistet. «Die Zusammenarbeit mit dem Naturschutzverein war wichtig, um die Kartierung zu verbessern und mit mehr Know-how an die Aufwertungen zu gehen», so Bruderer. Im Gegenzug habe der Verein von der professionellen Zusammenarbeit mit der Gemeinde profitieren können.

René Bruderer, Geschäftsleiter Bau und Infrastruktur, Flawil

«Es geht nur mit engagierten Personen, die Biss haben und nicht aufgeben.»

René Bruderer, Geschäftsleiter Bau und Infrastruktur, Flawil

Auch über die Kartierung hinaus arbeiten die Gemeinde und der Naturschutzverein eng zusammen. Der Naturschutzverein bringt sein Know-how beispielsweise bei Projektierungen ein, ist in die Richt- und Zonenplanung der Gemeinde involviert und führt Pflegeeinsätze durch.

Für Bruderer ist klar, dass die vielen Naturoasen in Flawil nur dank eines starken Zusammenwirkens unterschiedlicher Personen und Stellen entstehen konnten. «Am Anfang braucht es eine gute Konstellation aus Personen, die die Initialzündung geben. Und dann geht es nur mit engagierten Menschen, die Biss haben, dranbleiben und auch nicht aufgeben, wenn die ersten Blumenwiesen zu scheitern drohen.» Das brauche auch ein bisschen Glück, betont Bruderer. Und das hatte er, davon ist der Geschäftsleiter Bau und Infrastruktur überzeugt – und zwar mit seinem Leiter des Unterhaltsdienstes (UHD).

«Die Zusammenarbeit zwischen Naturschützer, Praktiker und Vertreter der Gemeinde ist unser Erfolgsrezept.»

René Bruderer, Geschäftsleiter Bau und Infrastruktur, Flawil

«Mit einem Werkhof-Leiter, der nichts von Biodiversitätsaufwertungen wissen will, wäre es extrem schwierig.» Ganz anders in Flawil: Heini Reinli, seit vier Jahren UHD-Leiter, setzt sich für die Biodiversität in der Gemeinde ein und hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Blumenwiesen zum Stolz der UHD-Mitarbeitenden geworden sind. Auch mittels Schulungen wurde dem Personal des UHD das Thema Biodiversität nähergebracht. «Die Zusammenarbeit zwischen Naturschützer, Praktiker und Vertreter der Gemeinde ist unser Erfolgsrezept», betont Bruderer.

Eine dicht wachsende Blumenwiese vor einem Schulhaus und einer Hecke

Vor Nutzungskonflikten bleibt auch Flawil nicht verschont, wie zum Beispiel bei Aufwertungen rund um das Schulhaus. Hier kommt die Kommunikation ins Spiel.

Mit Kommunikation gegen Nutzungskonflikte

Trotz des sichtbaren Erfolgs gibt es auch in Flawil Spannungsfelder rund um die Aufwertungen. Die Blumenwiesen in der Nähe von Schulhäusern oder Spielplätzen würden zum Beispiel wegen der Bienen bei Eltern für Unmut sorgen. Viele empfänden die aufgewerteten Flächen ausserdem als unordentlich.

«Wir kommunizieren deshalb viel über unsere Arbeit und die Biodiversität generell. Wir platzieren Infotafeln bei den Aufwertungen und veröffentlichen regelmässig Berichte in der Gemeindezeitung.» Eines der Legislaturziele des Gemeinderats sieht denn auch vor, die Bevölkerung in die Bewirtschaftung der Grünflächen einzubeziehen. Nur so sei ein Umdenken möglich, ist René Bruderer überzeugt.


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