Gemeinsam zu fossilfreier Wärme
Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, dürfen beim Heizen künftig keine fossilen Energien und auch kein Gas mehr zum Einsatz kommen. Beim Wechsel auf eine fossilfreie Wärmeversorgung spielen die Gemeinden eine zentrale Rolle. Sie unterschätzen aber häufig ihre Einflussmöglichkeiten.
In der Wärmeversorgung hat eine neue Zeitrechnung begonnen. Insbesondere wegen der verschärften energie- und klimapolitischen Ziele, der drohenden Versorgungsengpässe seit dem Krieg in der Ukraine und aufgrund der zunehmend volatilen Energiepreise. Sollte die Wärmeversorgung bisher lediglich etwas diversifiziert werden, um die weitgehende Abhängigkeit von fossilen Energien zu reduzieren, so gilt es heute, die Wärmeversorgung auf eine vollständig fossilfreie, nachhaltige Basis zu stellen. Es genügt also nicht mehr, die «low hanging fruits» zu ernten. Heute gilt es, für jede Heizung eine Lösung mit Abwärme oder erneuerbare Energien zu finden.
Neue Anforderungen an die kommunale Energieplanung
Die Energiegesetze der Kantone setzen die Leitplanken für die kommunale Energieplanung, die Gemeinden ihrerseits erstellen diese – massgeschneidert auf ihr Gebiet und im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Bisher haben sie sich dabei eher in Zeithorizonten von Jahrzehnten als in Jahren bewegt. Das hat sich mit der Vorgabe des Bundes, die Schweiz bis 2050 zu Netto-Null zu führen, definitiv verändert. Die Aufgabe, für jede Heizung eine fossilfreie Lösung zu finden, stellt an die Energieplanung der Gemeinden, an den Ausbau der Wärmeverbünde und auch an die Gebäudeheizungen neue Anforderungen.
Zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass das Potenzial an erneuerbaren Gasen beschränkt ist. Sie sollen in Zukunft nur noch dort eingesetzt werden, wo keine Alternativen vorhanden sind, also beispielsweise für Hochtemperaturprozesse in der Industrie oder im Schwerverkehr. Für die Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser ist Gas keine langfristige Lösung.
Attraktives Zeitfenster für Wärmeverbünde
Die Ausgangslage für Wärmeverbünde und erneuerbare Gebäudeheizungen verbessert sich, weil die Unsicherheiten rund um die Verfügbarkeit und die Preise der fossilen Energieträger zunehmen. Besonders für die Wärmeverbünde stellt die neue Zeitrechnung in der Wärmeversorgung zunächst einmal eine enorme Chance dar, insbesondere auch aus wirtschaftlicher Sicht. Denn die Voraussetzungen für einen Wärmeverbund stehen beträchtlich besser, wenn die Alternative nicht mehr der einfache Kesselersatz, sondern ein Wechsel des Heizungssystems ist. Allerdings sinken die Chancen für einen Wärmeverbund wiederum, je mehr sich erneuerbare Gebäudeheizungen etablieren. Denn damit sinkt die Anschlussdichte. Für die Wärmeverbünde besteht also ein enorm attraktives, aber beschränktes Zeitfenster.
Jede Siedlung mit eigenen Bedingungen
Nicht immer lässt sich eine Lösung zum Ersatz der fossilen Heizung so einfach finden. Dicht nebeneinanderstehende Einfamilienhäuser (typischerweise Reiheneinfamilienhäuser) weisen für einen Wärmeverbund eine zu tiefe Wärmedichte auf und verfügen oft auch nicht über ausreichende Platzverhältnisse für eine Wärmepumpe. Der Platz für eine Erdsondenbohrung fehlt und auch die Abstände zum Nachbarn reichen nicht, um die Lärmgrenzwerte mit einer Luft-Wasserwärmepumpe einzuhalten.
In Altstädten kann ein Wärmeverbund – oft die einzig machbare Lösung für eine erneuerbare Wärmeerzeugung – je nach Platzverhältnissen und Untergrund ausserordentlich teuer werden.
Schliesslich kann sich ein Systemwechsel weg vom Gas in einigen Gebäuden als sehr aufwendig entpuppen. Beispielweise wenn die Elektroverteilung für den Ersatz vorhandener Gasherde zu schwach ist oder wenn eine Gastherme im Wandschrank oder im Dachgeschoss installiert ist.
Gemeinsam geht es besser, schneller und billiger
Grundsätzlich liegt die zukünftige Energiestrategie in der Verantwortung der Gemeinden. Sie müssen Massnahmen und Ziele definieren, die sie als Gemeinden umsetzen und erreichen wollen. Doch eine kostengünstige und möglichst einfache Dekarbonisierung der Wärmeversorgung lässt sich nur erreichen, wenn sich die Akteur:innen eng koordinieren. Beim Ausbau der Wärmeverbünde ist zu berücksichtigen, ob Alternativen für nicht erschlossene Gebiete bestehen. Der Rückzug der Gasversorgung muss mit dem Ausbau der Wärmenetze koordiniert werden. Und beides sollte idealerweise mit Strassenbauprojekten der Gemeinde abgestimmt werden.
Eine gute Koordination ermöglicht es, Kosten einzusparen. Zudem schafft eine gemeinsame oder zumindest eine gut abgestimmte Kommunikation der verschiedenen Akteur:innen Vertrauen und ist für die Akzeptanz bei den Gebäudebesitzer:innen von zentraler Bedeutung.
Ebenso wichtig ist eine gemeinsame Auseinandersetzung mit Problemfällen. Miteinander lassen sich manchmal Lösungen für Probleme finden, die für einzelne Akteur:innen unüberwindbar scheinen. So kann zum Beispiel eine Risikogarantie Vorinvestitionen für den gezielten Ausbau der Wärmenetze ermöglichen. Aber auch wenn keine Lösung gefunden werden kann, ist die Auseinandersetzung wichtig. Nur so können die Akteur:innen Lerneffekte erzielen und die Umsetzungsstrategie oder die Energieplanung allenfalls anpassen.
Unterschätzte Einflussmöglichkeiten der Gemeinden
Viele Gemeinden scheinen ihren Einfluss auf die Energieversorgungsunternehmen (EVU) zu unterschätzen. Sie fühlen sich den EVU ausgeliefert. In diesem Fall ist es empfehlenswert, sich erst einmal bewusst zu machen, was die Gemeinde zu bieten hat:
Der Anschluss gemeindeeigener Gebäude und Anschlussverpflichtungen bei Sondernutzungsplanungen können sich sehr positiv auf die Wirtschaftlichkeit eines Wärmeverbunds auswirken.
Die Gemeinde kann Standorte für neue Heizzentralen in die Zonenplanung aufnehmen und so eventuell erst ermöglichen.
Die Koordination ermöglicht Synergien und erhebliche Kostensenkungspotenziale.
Eine gemeinsame Kommunikation schafft Vertrauen bei den Kunden.
Nicht zu vergessen ist zudem, dass mit Gas versorgte Gemeinden bereits eine langjährige Partnerschaft kennen. Diese gilt es zu nutzen. Denn auch die EVU sind gefordert: Sie müssen ihre Dienstleistungen neu ausrichten und ihre Produkte für die geforderten Klimaziele fit machen. Sie haben das Know-how und die Ressourcen, um Gemeinden auf ihrem Weg in eine Netto-Null-Zukunft zu begleiten.
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Grundstein legen für gemeinsame Umsetzung
Anschliessend geht es darum, die Erwartungen der Gemeinde möglichst präzise zu formulieren. Welche Gebiete sollen genau erschlossen werden? Welche Wärmequellen sollen genutzt werden? Idealerweise erarbeitet die Gemeinde die Unterstützungsmöglichkeiten und eigenen Erwartungen in Abstimmung mit den Versorgungsunternehmen. Mit Konzessions- oder Zusammenarbeitsverträgen können die Beteiligten die wesentlichen Punkte schliesslich verbindlich regeln. So stellt die Gemeinde den entscheidenden Einfluss auf die Netze sicher.
Genauso wichtig wie diese Grundlagenarbeiten ist und bleibt eine aktive, gemeinsam koordinierte Umsetzung. Wird diese Chance genutzt, können Gemeinde und EVU gemeinsam optimale Voraussetzungen für eine fossilfreie Wärmeversorgung schaffen.