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Globale Nachhaltigkeitsziele, lokale Umsetzung

Sibyl Anwander
Collombey Erdöl-Station

·

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Mit der Unterzeichnung der Agenda 2030 hat sich die Schweiz verpflichtet, ihr Handeln auf die globalen Nachhaltigkeitsziele auszurichten. Das gilt auch für die Beschaffung der öffentlichen Hand. Mit dem neuen Beschaffungsrecht ist die Basis gelegt. Jetzt geht es an die Umsetzung.

Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen – das ist eines der 17 Uno-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Es verpflichtet die unterzeichnenden Länder unter anderem, ihre Beschaffung auf die Nachhaltigkeit auszurichten. Empfehlungen und Leitfäden für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung gibt es auf allen Ebenen – von den Uno-Organisationen über die EU, den Bund und die Kantone bis zu einzelnen Gemeinden. Doch vielerorts fehlten bisher eine strategische Ausrichtung und verbindliche, ambitionierte Ziele.

Erst auf der Basis einer systematischen Risikoanalyse entlang der ganzen Wertschöpfungskette können solche Ziele und geeignete Massnahmen definiert werden. Eine Aufgabe, die von vielen Beschaffungsstellen allein kaum zu bewältigen ist. Hilfestellung bietet hier die vom Bund in Auftrag gegebene Relevanzmatrix, welche die sozialen und ökologischen Risiken für 17 wichtige Produktgruppen im Hinblick auf die globalen Nachhaltigkeitsziele aufzeigt und gewichtet sowie Hinweise für Vermeidungs- und Verbesserungsmassnahmen gibt.

Beschaffungen planen und bündeln

Bei der Formulierung von konkreten Zielen lohnt es sich, bei relevanten Produktgruppen zu starten. Je früher im Beschaffungsprozess Nachhaltigkeit mitgedacht wird, desto einfacher und meist auch kostengünstiger ist die Umsetzung. Der wichtigste Hebel liegt bei der Bedarfsdefinition: Welches sind die effektiven Bedürfnisse und wie können sie mit nachhaltigen und innovativen Ansätzen befriedigt werden? Gibt es die Möglichkeiten von Leasing statt Kauf? Lassen sich kreislauffähige Produkte wie wiederaufbereitete Computer oder Büromöbel einsetzen?

Je früher im Beschaffungsprozess Nachhaltigkeit mitgedacht wird, desto einfacher und meist auch kostengünstiger ist die Umsetzung.

Eine gute Mehrjahresplanung erlaubt eine Bündelung der Beschaffung mit anderen Ämtern, Gemeinden oder sogar ganzen Regionen. Damit wird der Aufwand für die Informationsbeschaffung und spätere Überprüfung reduziert und die Verhandlungsmacht gestärkt. Eine langfristige Planung erlaubt auch den Austausch mit Marktakteuren vor der Ausschreibung, um das Ambitionsniveau richtig zu setzen. Sie ermöglicht zudem innovationsfördernde funktionale Ausschreibungen, welche dem Auftragnehmer nicht nur die Ausführung, sondern auch die Planung und Konzeption der zu erbringenden Leistung übertragen, und damit die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen anstossen können.

Ehrgeizige Anforderungen definieren

Bei der Definition der technischen Spezifikationen und Zuschlagskriterien ist aus strategischer Sicht zu entscheiden, ob es sich um Basisanforderungen, Best Practice oder das Anstossen einer Innovation handeln soll. Je grösser die Nachhaltigkeitsrisiken sind und je wichtiger eine Produktgruppe für die Beschaffungsstelle in finanzieller und kommunikativer Sicht ist, desto ehrgeiziger sollten die Kriterien und Ziele definiert werden. Die aktualisierten Empfehlungen des Bundes auf der neuen Wissensplattform nachhaltige öffentliche Beschaffung (WÖB) bieten diese Einschätzung für zahlreiche Kriterien an. Zudem zeigen sie die Priorität eines Kriteriums in Bezug auf die produktspezifische Risikoabschätzung. Schliesslich wird angegeben, ob ein Kriterium als technische Spezifikation (Mindestanforderung an alle Bietenden) oder als Zuschlagskriterium (gewichtetes Kriterium, um das beste Angebot zu ermitteln) formuliert werden soll. 

Vollkosten berücksichtigen

Bei der Bewertung der Offerten wurde bisher das günstigste Angebot oftmals mit dem billigsten Angebot gleichgesetzt. Das revidierte Beschaffungsrecht basiert auf einem umfassenderen Verständnis von Wirtschaftlichkeit und verlangt «den wirtschaftlichen und den volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel». Zunächst bedeutet ein wirtschaftlicher Einsatz der Mittel, dass alle aus betriebswirtschaftlicher Sicht relevanten Aspekte über die gesamte Lebensdauer einfliessen, also auch Betriebs- und Reparaturkosten, Abschreibung und Entsorgungskosten. Unter Berücksichtigung der Total Cost of Ownership (TCO) sind hochwertige, langlebige und ressourcenschonende Produkte oft günstiger. 

Öffentliche Beschaffung – gewusst wie

Bei Pusch finden Sie zahlreiche Informationen, Materialien und Veranstaltungen zum Thema öffentliche Beschaffung. Wir freuen uns, Sie auf dem Weg zu einer nachhaltigen Beschaffung zu begleiten.
https://www.pusch.ch/fuer-gemeinden/beschaffung 

Aus volkswirtschaftlicher Sicht müssten allerdings auch die externen Kosten mitberücksichtigt werden. Dazu gehören etwa Verbrauch und Verschmutzung von Wasser, CO2-Emissionen, Gesundheitskosten aufgrund von Luftverschmutzung oder entgangene Schulbildung wegen Kinderarbeit. Bei einer volkswirtschaftlichen Vollkostenrechnung werden diese externen Effekte in Geldwerte umgerechnet und zu den direkt sichtbaren Kosten addiert. Da solche Berechnungen aufwendig und noch wenig standardisiert sind, werden sie vorerst nur exemplarisch und bei strategisch wichtigen Beschaffungen gemacht. Im Sinn der vollen Kostenwahrheit wären sie aber mittelfristig gerade für Akteure der öffentlichen Hand das einfachste und überzeugendste Argument für Beschaffungsentscheide – denn auch die versteckten Kosten fallen ja irgendwo und irgendwann wieder als Ausgaben der öffentlichen Hand an.

Vorgaben vor Ort überprüfen

Ist der Zuschlag erteilt, ist damit die Arbeit noch nicht abgeschlossen. Vielmehr gilt es sicherzustellen, dass die in der Offerte und später im Vertrag festgehaltenen Kriterien auch tatsächlich umgesetzt werden. Bei Qualitätskriterien lässt sich dies am Produkt beispielsweise durch Laboruntersuchungen überprüfen. Schwieriger ist es mit sogenannten Prozesskriterien wie der Einhaltung des Arbeitsgesetzes, von Mindestlöhnen oder Tierschutzbestimmungen. Vor allem bei Produkten aus dem Ausland kann dies oft nicht von den Beschaffungsstellen selbst überprüft werden. Audits durch Dritte oder auch der Einbezug von zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort können Abhilfe schaffen. Das drängt sich vor allem bei grösseren Beschaffungsvolumen aus Risikoländern und in risikobehafteten Sektoren auf. Solche Überprüfungen müssen im Budget und noch besser bei der Beurteilung der Offerten einfliessen. Das spricht einmal mehr für Beschaffungsbündelung, um die Kosten auf grössere Volumen zu verteilen.

Den Impact ausweisen

Erst die Formulierung von konkreten und überprüfbaren Zielen (Smart-Ziele) für die einzelnen Beschaffungsstellen, basierend auf der Risikoanalyse und den relevanten Produktgruppen, lässt auch eine informative Berichterstattung zu. Welche Risiken konnten tatsächlich durch die getroffenen Massnahmen reduziert werden? Welche positive Wirkung hat die konsequente Einforderung der Nachhaltigkeitsaspekte? Wie gross ist der Anteil, der über die Basisanforderungen hinausgeht, und wo hat die öffentliche Hand tatsächlich als Vorbild gewirkt? Welche Massnahmen wären geeignet, um den Zielen noch näher zu kommen? Bei einem jährlichen Beschaffungsvolumen von 40 Milliarden Franken wird eine solche Berichterstattung im Hinblick auf die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung (SDGs) zunehmend erwartet (Impact-Reporting).  

Die öffentliche Beschaffung kann einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele leisten. Das revidierte Beschaffungsrecht ist ein guter Start – jetzt braucht es eine strategische, engagierte und transparente Umsetzung.

Der Artikel ist im «Thema Umwelt» 3/2021 erschienen.
Titelbild: C. Laubaucher 

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