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Abfall und Konsum
Fachartikel

«Das Ziel ist eine gesunde Kreislaufwirtschaft»

Nadine Siegle
Ein Gabelstapler hebt mehrere Matratzen in einen Lastwagen, in dem bereits etliche Matratzen gestapelt sind

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Abfall und Konsum

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Das revidierte Umweltschutzgesetz soll die Kreislaufwirtschaft stärken und die Wiederverwendung fördern. Im Interview erklärt Isabelle Baudin vom Bundesamt für Umwelt (BAFU), was das für die Gemeinden und Sammelstellen bedeutet und was sie bei der sogenannten «Vorbereitung zur Wiederverwendung» von Abfällen beachten müssen.

Nadine Siegle im Gespräch mit Isabelle Baudin

Das revidierte Umweltschutzgesetz (USG) ist zwar noch nicht in Kraft. Doch es zeichnet sich ein klares Bekenntnis für die Kreislaufwirtschaft ab. Was heisst das künftig für Städte und Gemeinden?

Isabelle Baudin: Das revidierte Umweltschutzgesetz verankert die Grundprinzipien für die Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft. Die konkreten Auswirkungen für die Gemeinden und Sammelstellen werden sich erst in der täglichen Umsetzung zeigen, wenn die Verordnungen dazu in Kraft sind. Die Auswirkungen können je nach Abfallstrom variieren. Bereits heute regeln Verordnungen und Vollzugshilfen den Umgang mit bestimmten Abfällen, wie zum Beispiel mit Elektroschrott (Revidierte Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte, VREG, und die voraussichtlich im Herbst erscheinende Vollzugshilfe zum Stand der Technik der Entsorgung von elektrischen und elektronischen Geräten).

Das revidierte Umweltschutzgesetz wird der Wiederverwendung einen höheren Stellenwert geben. Es führt den wichtigen Begriff der «Vorbereitung zur Wiederverwendung» ein. In der Hierarchie der Abfall-Verwertungsmethoden wird diese «Vorbereitung zur Wiederverwendung» künftig auf derselben Stufe stehen wie die stoffliche Verwertung und gegenüber der energetischen Verwertung priorisiert.  

Was bedeutet «Vorbereitung zur Wiederverwendung»?

Die «Vorbereitung zur Wiederverwendung» bezeichnet die Behandlung von Abfällen mit dem Ziel, dass sie wiederverwendet werden können. Es wird also etwas mit den Abfällen getan. Beispielsweise werden die Abfälle geprüft, gereinigt, repariert oder wieder aufbereitet. Dieser Prozess kommt nur im Umgang mit Abfällen zum Tragen.

Dafür ist es wichtig, die Definition von Abfall im rechtlichen Sinne genauer anzuschauen: Entsorgt jemand einen Gegenstand mit einem sogenannten Entledigungswillen an einer Sammelstelle oder bei einer rücknahmepflichtigen Verkaufsstelle, wie zum Beispiel beim Elektronikfachgeschäft, gilt er als Abfall. Wenn ein solcher Abfall jedoch wieder genutzt werden könnte, kann er in die Vorbereitung zur Wiederverwendung gelangen.

Isabelle Baudin

«Sobald etwas Abfall im rechtlichen Sinne ist, muss die umweltgerechte Entsorgung sichergestellt werden.»

Isabelle Baudin, Sektion Siedlungsabfälle, Bundesamt für Umwelt (BAFU)

Ein Beispiel dafür: Frau Müller will ihren alten Laptop entsorgen und gibt ihn zu diesem Zweck an der Sammelstelle ab. Im Moment, in dem ein Gegenstand auf der Sammelstelle abgegeben wird – in unserem Fall der alte Laptop von Frau Müller – wird er also zu Abfall, unabhängig davon, ob er noch funktionstüchtig ist oder nicht. Sobald etwas Abfall im rechtlichen Sinne ist, muss die umweltgerechte Entsorgung sichergestellt werden, um negative Einflüsse auf die Umwelt zu vermeiden.

Wie genau hängen die Kreislaufwirtschaft und die Vorbereitung zur Wiederverwendung zusammen?

Mit der Kreislaufwirtschaft beabsichtigt man, möglichst viele Ressourcen lange im Kreislauf zu behalten. Während es beim Recycling um die Rückgewinnung von einzelnen Bestandteilen und Stoffen geht, ist das Ziel der Kreislaufwirtschaft breiter. Es geht mit anderen Worten darum, die Lebensdauer von Gegenständen zu verlängern und am Ende der Lebensdauer dafür zu sorgen, dass möglichst viele Ressourcen wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Das geschieht nicht nur, wenn die Konsumierenden ihre eigenen Gegenstände so lange wie möglich verwenden und bei Bedarf reparieren lassen. Sondern auch nachdem ein Gegenstand an der Sammelstelle oder bei rücknahmepflichtigen Verkaufsstellen entsorgt wurde.  

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Was gibt es bei der Wiederverwendung von Abfällen zu beachten, zum Beispiel bei Altgeräten wie dem Laptop von Frau Müller?

Das Ziel ist es, eine gesunde Kreislaufwirtschaft zu etablieren. In der Vollzugshilfe zum Stand der Technik der Entsorgung von Altgeräten werden Anforderungen an eine Wiederverwendung von Altgeräten beschrieben. Diese Anforderungen sollen dazu beitragen, die Kreislaufwirtschaft zu fördern und gleichzeitig einen geregelten Umgang mit Abfällen sicherzustellen, den illegalen Handel mit Abfällen zu verhindern sowie den Schutz der Umwelt und der Personen, die mit den Abfällen arbeiten, zu gewährleisten. Denn Altgeräte enthalten Schadstoffe, die ein Risiko darstellen können.

Zudem sollen wiederaufbereitete Gegenstände langfristig und ohne Risiko genutzt werden können, während nicht mehr reparierbare Güter fachgerecht entsorgt werden müssen. Die Anforderungen an die Wiederverwendung dienen den Interessen der Verbrauchenden, aber auch der Umwelt.   

Das ist alles sehr theoretisch. Können Sie erklären, was die Vorbereitung zur Wiederverwendung für einen alten Laptop nun konkret bedeutet?

Die erste Bedingung ist, dass die Sammelstelle die Vorbereitung zur Wiederverwendung anbietet. Bringt also Frau Müller ihren alten Laptop auf den Recyclinghof oder zurück zum Detailhändler, dann gilt dieser als Abfall. Im Falle eines Laptops ist es ein kontrollpflichtiger Abfall gemäss Verordnung über den Verkehr mit Abfällen (VeVA).

Falls Frau Müller möchte, dass ihr alter Laptop ein zweites Leben erhält, muss sie diese Absicht zur Weiterverwendung ihres Gerätes klar äussern. Das ist vor allem bei Geräten mit Datenträgern von grosser Bedeutung, da hier der Datenschutz gewährleistet werden muss. Dann wird der Laptop auf der Sammelstelle separat gelagert und später an ein spezialisiertes Unternehmen für die Vorbereitung zur Wiederverwendung übergeben. Dieses Dritt-Unternehmen löscht die Daten, die sich auf dem Laptop befinden, vollständig. Es prüft, reinigt und repariert den Laptop. Möglicherweise muss der Akku ausgetauscht oder das Netzteil ersetzt werden. Für diese Behandlung muss die Firma eine VeVA-Bewilligung vorweisen – denn sie behandelt Abfälle.

Nachdem alle Tests erfolgreich abgeschlossen sind und das Gerät wieder voll funktionstüchtig ist, wechselt der Laptop wieder den Status von «Abfall» zu einem «funktionstüchtigen Produkt» und kann so wieder verkauft werden.  

«Der beste Abfall ist immer noch der, der gar nicht erst entsteht.»

Isabelle Baudin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Bundesamt für Umwelt (BAFU)

Und was ist mit aussortierten Sommerkleidern oder einem ausgedienten Sofa?

Frau Meier bringt ihr altes Sofa in ein Brockenhaus, weil es immer noch schön und voll funktionstüchtig ist. Sie möchte, dass es weiterhin gebraucht wird. In diesem Fall will sie ihr altes Sofa nicht entsorgen. Sie übergibt es dem Brockenhaus, damit dieses das Sofa direkt und ohne Behandlung an eine:n neue:n Besitzer:in verkaufen kann. Zur Unterscheidung von unserem obigen Beispiel ist zentral, dass das Sofa voll funktionstüchtig ist und keine Behandlungsschritte (prüfen, reinigen oder reparieren) notwendig sind. 

Sind Kleidung oder Möbel noch voll funktionstüchtig, ist es deshalb empfehlenswert, diese zum Beispiel bei einem Brockenhaus abzugeben. Werden sie dagegen auf der Sammelstelle abgegeben, auch wenn sie noch funktionstüchtig wären, gelten sie als Abfall, bis sie geprüft oder allenfalls wiederaufbereitet wurden. Kleidung und handelsübliche Möbel sind keine kontrollpflichtigen Abfälle. Dabei gilt es aber immer auch kantonale Vorschriften zu prüfen. 

Was bedeutet das in Zukunft für die Sammelstellen?

Es ist noch zu früh, um das zu beurteilen. Vielmehr sollten wir uns fragen, wie wir die Kreislaufwirtschaft und die Abfallvermeidung weiter fördern können. Denn die Vorbereitung zur Wiederverwendung nach der Entsorgung ist nur eine der Möglichkeiten, um einen Gegenstand «zu retten». Es gibt unzählige Anknüpfungspunkte, um gar nicht erst so viel Abfall entstehen zu lassen. Der beste Abfall ist immer noch der, der gar nicht erst entsteht. Dazu können Gemeinden einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie zum Beispiel zum Tauschen anregen, Repair-Cafés unterstützen oder über das Thema sensibilisieren und informieren. 

Wichtige Überlegungen für Sammelstellen

Um die Wiederverwendung von entsorgten Gegenständen zu fördern, ist es empfehlenswert, sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:

  • Mit welcher Abfallsorte wollen wir mit der Vorbereitung zur Wiederverwendung anfangen? 

  • Ist der nötige Lagerplatz bei der Sammelstelle vorhanden?  

  • Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gilt es zu beachten? 

  • Mit welchen Reparaturunternehmen wollen wir zusammenarbeiten? Und verfügen diese über das Know-how und die entsprechenden Bewilligungen?  

  • Sind die Rechte und Pflichten in der Zusammenarbeit mit Dritten vertraglich geregelt?  

  • Wie stellen wir sicher, dass Abfälle, die der Vorbereitung zur Wiederverwendung zugeführt werden, sich nicht mit Abfällen, die in die stoffliche Verwertung gehen, vermischen? 

  • Welche Erfahrungswerte von anderen Sammelstellen können wir uns zunutze machen?


Mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) veröffentlicht Pusch 2024 eine Serie von Artikeln zu den Themen Abfall und Konsum. Die Beiträge bieten Gemeinden Fachwissen und Inspiration, um einen ressourcenschonenden Lebensstil zu fördern.


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