Kreislaufwirtschaft: Wenn aus Biertreber ein neuer Rohstoff wird

Rund 25 Kilogramm Biertreber bleiben pro 100 Liter Bier übrig – ein Nebenprodukt, das bisher oft ungenutzt bleibt. Doch was, wenn dieser vermeintliche Brauerei-Abfall eine zweite Chance bekommt? Das Start-up UpGrain zeigt, wie eine Idee die Kreislaufwirtschaft bei Malzgetränken fördert – und ökologische und ökonomische Chancen clever vereint.
Appenzell ist der Hotspot für das Start-up UpGrain, das aus Biertreber ein neues Produkt entwickelt hat. Ein idealer Standort, denn mit der Brauerei Locher in Appenzell findet das Start-up nicht nur den Platz für die Entwicklung der Anlage, sondern auch eine Unterstützerin für die Idee der Kreislaufwirtschaft. Brauereigründer Karl Locher legt Wert darauf, dass «nichts weggeworfen wird, was noch brauchbar ist» – zum Beispiel Treber.
Eine Idee, die überzeugt
Acht Jahre zuvor hatte der Jungunternehmer Vincent Vida den Brauereibesitzer Karl Locher davon überzeugt, Treber weiterzunutzen. Dabei handelt es sich um die festen Rückstände, die beim Bierbrauen in grossen Mengen anfallen. Diese Masse steckt voller Nährstoffe wie Proteine, Ballaststoffe (Nahrungsfasern), Vitamine und Spurenelemente. Warum also nicht aus diesen Rückständen neue Rohstoffe entwickeln? Eine bestechende Idee.

«Wir zeigen, dass es möglich ist, hochwertige Lebensmittel aus Nebenprodukten zu schaffen.»
– Vincent Vida, Gründer und CEO von UpGrain
Mit Tüfteln und Testen zur Lösung
Treber enthält 80 Prozent Feuchtigkeit. Um daraus standardisierte, verwertbare Ballaststoffe und Proteine zu gewinnen, muss der Treber zunächst getrocknet werden. In einem weiteren Schritt trennt eine Zentrifuge unter hohem Druck die Proteine von den Ballaststoffen. In Pulverform sind diese dann bereit, in verschiedensten Lebensmitteln eingesetzt zu werden. Obwohl die Lösung – Trocknen und Trennen – simpel erscheint, war der Weg zur marktreifen Anlage anspruchsvoll. UpGrain investierte Jahre in Forschung, Experimente und Optimierung. Vida ist seinem Team dankbar: «Nur durch unermüdliches Ausprobieren, Umdenken und Anpassen ist es uns schliesslich gelungen, aus dem Treber neue Produkte herzustellen.»
Raus aus dem Bier, rein in andere Lebensmittel
«Die Nachfrage nach upgecycelten Nährstoffen ist enorm», sagt Vida. Das eröffnet ein breites Feld an Anwendungen für Treber – insbesondere als Getreide- oder Mehlersatz. Neben Backwaren lassen sich auch Fleisch- und Milchalternativen, Snacks oder Teigwaren mit den nährstoffreichen Proteinen und Ballaststoffen anreichern oder sogar vollständig auf dieser Basis herstellen.
Ein Kreislaufmodell, das weltweit funktioniert
«Die Umweltbelastung durch das Upcycling der Treber-Abfälle ist um 90 Prozent geringer im Vergleich zur landwirtschaftlichen Produktion von pflanzlichen Fasern und Proteinen. Das heisst, aus 25'000 Tonnen Treberabfällen pro Jahr werden bis zu 6'000 Tonnen Proteine und Fasern gewonnen. Dabei werden 5'500 Tonnen CO

Besucher:innen der Brauerei erfahren an Schautafeln, wie die Treber-Aufwertung funktioniert. Bild: UpGrain
Durch den Klimawandel sind die Ackerflächen weltweit messbar geschrumpft, so eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Steigende Temperaturen und häufigere Wetterextreme oder Schädlingsbefall gefährden die Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Mais, Reis und Weizen. Gleichzeitig wird gemäss dem Bericht der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung weiterwachsen – der Bedarf an Nahrungsmitteln steigt. Gerade in ärmeren Ländern ist der Zugang zu ballaststoff- und proteinreicher Nahrung erschwert. Deshalb ist es laut Vida auch aus sozialer und ökologischer Sicht vernünftig, Nebenströme zu nutzen, zum Beispiel Treber weiterzuverarbeiten und Lebensmitteln wieder zuzusetzen.
Von Appenzell in die ganze Welt
Dieser Vision der Ressourcenschonung in der Landwirtschaft ist die Firma UpGrain im Herbst 2024 mit der Einweihung und Inbetriebnahme laut Vida der europaweit grössten Treberaufbereitungsanlage in Appenzell einen Schritt nähergekommen. UpGrain erreicht damit Aufmerksamkeit. Laut Vida gibt es bereits internationale Kund:innen, die die Protein- und Faserpulver in Backwaren einsetzen wollen. Vor allem die USA sind in diesem Markt führend, aber auch in Europa, Südamerika und Asien besteht Interesse.
Dank Beratungen auf dem richtigen Weg
Zunehmende gesetzliche Auflagen für eine nachhaltige Lieferkette, nachhaltige Beschaffung oder die Einhaltung von Sorgfaltspflichten machen es schwer, den Überblick zu behalten. «Für ein junges Nachhaltigkeits-Start-up ist es entscheidend, die rechtlichen und politischen Aspekte abzudecken», erklärt Vida. UpGrain hat ein Expertengremium hinzugezogen, das eine ökologische und ökonomische Beratungsaufgabe innehat. Auch mit der Ressourcen-Beratungsagentur «Reffnet.ch» hat das Unternehmen zusammengearbeitet. Eine externe Begleitung ist nicht nur für neue Geschäftsideen wie die von UpGrain ratsam, sondern auch für KMU, die sich von einer linearen zu einer kreislauforientierten Wirtschaft entwickeln wollen.
Titelbild: UpGrain