«Konsument:innen brauchen Orientierung im Label-Dschungel»
Seit 2001 bietet Labelinfo.ch Konsument:innen und Personen in der professionellen Beschaffung einen Überblick über die wichtigsten Labels. Nun wurde die bekannte, von Pusch initiierte Informationsplattform komplett überarbeitet. Ein Gespräch mit Patricia Letemplé, Projektleiterin Nachhaltige öffentliche Beschaffung und Labels bei Pusch, über die neue Bewertungsmethodik, das Redesign und den Sinn und Zweck einer Labelinformationsplattform.
Patricia, gerade hast du mit deinem Team Labelinfo.ch überarbeitet. Im Zuge dessen habt ihr 41 Lebensmittellabels neu bewertet. Jetzt weisst du sicher genau, welche Labels was versprechen und ob sie es auch halten?
Patricia Letemplé: Wenn man sich monatelang mit Labelsystemen beschäftigt hat, wird einem noch klarer, wie komplex das Thema ist und dass es nicht immer eine einfache Antwort auf diese Frage gibt. Darum bin ich froh, wenn ich bei Bedarf auf unsere Labelbewertung zurückgreifen kann und Labels bezüglich der Aspekte, die mich gerade interessieren, einfach miteinander vergleichen kann.
Wieso braucht es eine Plattform wie Labelinfo.ch?
Um Orientierung zu schaffen im Label-Dschungel. Denn in den letzten Jahren sind derart viele neue Nachhaltigkeitslabels entstanden, dass Konsument:innen kaum mehr die Übersicht haben. Damit sie sich aber bewusst für umweltfreundliche, sozialverträgliche und, wo relevant, tierfreundliche Produkte entscheiden können, braucht es eine unabhängige und glaubwürdige Bewertung.
«In den letzten Jahren sind derart viele neue Nachhaltigkeitslabels entstanden, dass Konsument:innen kaum mehr die Übersicht haben.»
– Patricia Letemplé, Projektleiterin Nachhaltige öffentliche Beschaffung & Labels, Pusch
Was ist neu auf der Online-Plattform Labelinfo.ch?
Wir haben einerseits die Bewertungsmethodik, anderseits die Website, also auch die Benutzer:innen-Führung komplett überarbeitet. Obwohl Labelinfo.ch schon seit 2001 existiert und sich zu einer beliebten Informationsplattform gemausert hat, datiert die letzte Bewertung von 2015. In den vergangenen acht Jahren hat sich bei nachhaltig hergestellten Produkten und den entsprechenden Labels einiges getan. Den Anfang auf der überarbeiteten Plattform machen 41 neu bewertete Lebensmittellabels.
Und, wie gut schneiden diese Labels ab?
Die Mehrheit der bewerteten Labels ist «ausgezeichnet» (12), «sehr empfehlenswert» (17) oder «empfehlenswert» (7). Nur 3 der 41 Lebensmittellabels erhielten die Bewertung «bedingt empfehlenswert» oder «kaum empfehlenswert».
Sind die Anforderungen der Labels über die Jahre strenger geworden?
Mit Blick auf die Lebensmittel könnte dieser Eindruck entstehen. Aber ein direkter Vergleich zu 2015 ist eigentlich nicht möglich, weil die Bewertungsmethodik eine ganz andere ist. Aber es ist aus Umweltsicht wünschenswert, wenn Labelinhaber:innen dazu angespornt werden, ihre Nachhaltigkeitskriterien zu verbessern. Die Plattform ermöglicht das direkte Vergleichen von Labels innerhalb einer Produktgruppe, was zu einem gewissen Wettbewerb führt.
Wie glaubwürdig sind denn die neue Bewertungsmethodik und die Bewertung?
Das Projektleitungsteam besteht aus Wissenschaftler:innen des Instituts für Umwelt und Natürliche Ressourcen (IUNR) der ZHAW und Expert:innen der Stiftung Pusch. Beides sind unabhängige und parteilose Organisationen. Zudem haben wir die Erarbeitung der Bewertungsmethodik, die das IUNR verantwortet, und die eigentliche Datenanalyse der Labels, die von Pusch und dem ITC (International Trade Centre) durchgeführt wird, getrennt. Begleitet und finanziert wird das Projekt durch verschiedenste Partner:innen wie Bund, Kantonen, NGOs sowie Konsumentenschutz-Organisationen. Diese breite und unabhängige Partnerschaft trägt in unseren Augen zu einer hohen Glaubwürdigkeit bei.
Und weshalb hat es so lange gedauert mit einer Überarbeitung?
Nach der letzten Bewertung von Lebensmittellabels auf Labelinfo.ch wurde 2018 von der ZHAW zuerst eine Studie zur Optimierung der Methodik durchgeführt. Diese Ergebnisse gaben dann den Anlass zur Überarbeitung. Allen war klar, dass eine Überarbeitung nicht nur inhaltlich komplex, sondern auch hohe zeitliche und finanzielle Ressourcen fordern würde, nicht zuletzt wegen der Zusammenarbeit mit den internationalen Partner:innen.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass praktisch 41 Lebensmittellabels gut abschneiden. Aber «ausgezeichnet» erreichten nur 12 der 41 Labels. Wie ist das zu verstehen und wie gerecht ist die Bewertungsmethodik?
Ein Nachhaltigkeitslabeling für sein Produkt zu erreichen ist per se schon mal eine beachtliche Leistung, die es zu anerkennen gilt. Denn alle seriösen Zertifizierungssysteme stellen eine Vielzahl an Anforderungen an die Produzentinnen. Die Schlussbewertung «ausgezeichnet» erhalten jedoch nur jene Labels, die in allen Nachhaltigkeitsdimensionen die maximalen Punkte erreicht haben.
Und gerecht ist die Bewertung insofern, als dass wir für alle Labels dieselben Indikatoren in den Themenbereichen und in den Dimensionen Glaubwürdigkeit, Umweltfreundlichkeit, Sozialverträglichkeit und Tierwohl – nur wo relevant – analysiert haben. Darüber hinaus wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass manche Labels einen starken Fokus auf eine bestimmte Dimension haben. Dort hat die Dimension mit den meisten Punkten eine doppelte Gewichtung erhalten.
Nun sind vorerst 41 Lebensmittellabel neu bewertet. Welche Produktgruppen folgen als nächstes?
Wir planen, bis Ende 2023 die relevantesten Textillabels zu bewerten und zu publizieren. Und im Jahr darauf folgen dann die Produktgruppen elektronische Geräte, Papier sowie Wasch- und Reinigungsmittel. Damit dürfte unsere Plattform auch für die professionell Beschaffenden immer wichtiger werden.