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Beschaffung
In eigener Sache

Neuer Nachhaltigkeits-Check für Textillabels

Bettina Degen
Eine Frauenhand öffnet das Informationslabel bei einem T-Shirt. Darauf ist das Label GOTS mit entsprechenden Informationen zu sehen.

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7 Minuten Lesezeit

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In eigener Sache

Die unabhängige Informationsplattform Labelinfo.ch bringt Licht in den Label-Dschungel bei Textillabels. Zwanzig der bekanntesten und am häufigsten verwendeten Textillabels in der Schweiz erhielten eine transparente Bewertung. So wird es für Konsument:innen oder Einkaufsverantwortliche einfacher, Textilien nach ihrem Nachhaltigkeitslevel auszuwählen. Ein einziges Label sticht dabei heraus.

Die ständig wachsende Anzahl an Labels sorgt für Verwirrung. Doch wie unterscheidet man Gütesiegel, die nur leere Versprechungen enthalten, von denjenigen, die ein transparentes, glaubwürdiges Zertifizierungssystem durchlaufen haben?

Die unabhängige Informationsplattform Labelinfo.ch bringt Klarheit in die Schweizer Label-Landschaft. Auf einfache Weise lassen sich die Labels miteinander vergleichen, können aber auch je nach Interesse gefiltert werden. Schliesslich soll das nachhaltigste Label im Einkaufskorb landen. Nach einer neuen Bewertungsmethodik wurden nach über 40 Lebensmittellabels (siehe Interview «Konsument:innen brauchen Orientierung im Label-Dschungel») nun auch rund 20 Labels für Kleidung und Heimtextilien unter die Lupe genommen. «Labels sind mehr als nur Aufkleber. Sie sind Wegweiser für bewusste Einkaufsentscheidungen», erklärt Patricia Letemplé, Projektleiterin von Labelinfo.ch. Sie weiss, dass die heutigen Konsument:innen – sowohl Private als auch Einkaufsverantwortliche von Gemeinden oder Unternehmen – eine transparente Wertschöpfungskette und generell mehr nachhaltige Produkte fordern.

Ein einziges Label punktet auf der ganzen Linie

Unter den rund zwanzig bewerteten Labels schafft es nur eines, die Kategorie «ausgezeichnet» und damit die höchste Rangierung zu erreichen: das Label Global Organic Textile Standard (GOTS). Textilien mit diesem Label werden mit strengen Umweltauflagen entlang der gesamten Produktionskette und hohen sozialen Standards produziert. Sieben Labels, darunter Fairtrade International, folgen mit «sehr empfehlenswert», während fünf als «empfehlenswert» eingestuft werden. Vier Labels landen in der Kategorie «bedingt empfehlenswert».

Doch Vorsicht: Auch ein Label in einer niedrigeren Kategorie kann noch nachhaltig sein. Es konzentriert sich möglicherweise nur auf bestimmte Aspekte der Nachhaltigkeit oder deckt nur bestimmte Stufen der Wertschöpfungskette ab. Ein Beispiel dafür ist OEKO-TEX Organic Cotton. Dieses Label zeichnet vor allem die Produktion von Bio-Baumwolle aus, erreicht aber nicht die umfassende Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette wie das Label GOTS.

Ein Stapel mit blauen und einer mit schwarzen Jeanshosen im Verkaufsgestell. Ein Tag mit der Aufschrift "Labelinfo" baumelt am Stapel mit den schwarzen Jeanshosen.

Die unabhängige Informationsplattform Labelinfo.ch informiert Konsument:innen über die verschiedenen Textillabels auf dem Schweizer Markt.

Fehlende Bewertungen von Schweizer Textillabels

Die vier Schweizer Textillabels Migros Eco, Coop Naturaline, bioRe Sustainable Cotton und bioRe Sustainable Textiles fehlen noch in der Bewertung. Sie befinden sich in einem Überarbeitungs- und Prüfprozess. Sobald diese Labelstandards angepasst sind, wird Labelinfo.ch die Bewertung vornehmen.

Herausforderung der Textilindustrie

Die Textilindustrie kämpft mit zahlreichen sozialen und ökologischen Problemen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Rohstoffgewinnung bis zur Endfertigung.

Soziale Herausforderungen

  • Niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten und unsichere Arbeitsbedingungen sind in vielen Produktionsländern verbreitet.

  • In einigen Ländern ist Kinderarbeit immer noch ein Problem, besonders in der Rohstoffgewinnung und der Fertigung.

  • Mangelnder Zugang zu Gewerkschaften, Diskriminierung und fehlende Arbeitsplatzsicherheit beeinträchtigen die Rechte der Arbeiter:innen.

Ökologische Herausforderungen

  • Der Anbau von Baumwolle erfordert grosse Mengen an Wasser und den Einsatz von Pestiziden, was zu Boden- und Wasserverschmutzung führt.

  • In der Textilproduktion werden viele Chemikalien eingesetzt, die oft ohne ausreichende Abwasserbehandlung in die Umwelt gelangen.

  • Grosse Mengen an Textilabfällen, die oft umweltbelastend entsorgt werden, entstehen in der Produktion und durch die Fast-Fashion-Industrie.

Mit 229 Indikatoren zur breiten Vergleichbarkeit

Gerade in der Textilproduktion gibt es viele Herausforderungen, bei denen wirkungsvolle Nachhaltigkeitshebel angesetzt werden können. Aus diesem Grund fliessen in die neue Bewertungsmethode (siehe Box) von Labelinfo.ch nicht nur alle Wertschöpfungsstufen, sondern auch diese drei Dimensionen ein:

  • Glaubwürdigkeit

  • Umweltfreundlichkeit

  • Sozialverträglichkeit

Wenn ein Label sich besonders auf Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit konzentriert, wird dieser Aspekt bei der Bewertung doppelt gewichtet. Jedes Textillabel durchläuft denselben Prüfprozess und wird anhand von 229 Indikatoren (Excel) analysiert. So wird sichergestellt, dass alle Labels fair und transparent bewertet werden.

Unabhängige Bewertung im internationalen Kontext

Die neue Bewertungsmethodik wurde vom Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen (IUNR) der ZHAW für die Plattform Labelinfo.ch entwickelt. Die Methodik baut auf der Datenbank «Standards Map» des International Trade Centre (ITC) sowie dem «Sustainable Standards Comparison Tool (SSCT)» der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) auf und basiert somit auf einer international breit akzeptierten Grundlage. So werden die sozialen, ethischen und ökologischen Aspekte der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigt. Die dynamische und auf maximale Transparenz ausgerichtete Nachhaltigkeitsbewertung dient Endverbraucher:innen gleichermassen wie professionellen Einkaufsverantwortlichen als Entscheidungshilfe.

Sowohl 40 Lebensmittellabels und 20 Textillabels sind nun neu bewertet. Als nächstes steht die Label-Neubewertung der Produktgruppen der elektronischen Geräte, Papier sowie Wasch- und Reinigungsmittel an.

Eine Grafik, wie ein glaubwürdiges Labelsystem funktioniert.

3 Fragen an Patricia Letemplé, Projektleiterin Labels

Was ist ein «perfektes» Label?

Das ist Wunschdenken. Wenn, dann wäre es ein Label, das möglichst hohe soziale, ethische und ökologische Anforderungen bei der Produktion, Verarbeitung und dem Vertrieb von Produkten einhält – und transparent über die gesamte Lieferkette kommuniziert. Genau darum braucht es eine Plattform wie Labelinfo.ch, um die Versprechen sowie die Stärken und Schwächen der verschiedenen Labels von unabhängiger Seite zu durchleuchten.

Patricia Letemple

«Transparenz wird immer wichtiger, gerade beim Einkauf von Ressourcen und Gütern.»

Patricia Letemplé, Projektleiterin Nachhaltige öffentliche Beschaffung & Labels, Pusch

Was waren die Herausforderungen in der neuen Bewertung und in der Vergleichbarkeit?

Die Bewertung der unterschiedlichen Richtlinien ist äusserst aufwendig, denn jedes Label hat seinen eigenen Charakter. Wesentlich für ein Label ist zudem die Glaubwürdigkeit. Wir brauchten etliche Monate für die Durchführung der Neubewertung der Lebensmittel- und Textillabels, weil es teilweise für die in der Schweiz verbreiteten Labels noch nichts Vergleichbares gibt, das so in die Tiefe geht wie Labelinfo.ch.

Glaubst du, dass Labelinfo.ch einen Einfluss auf die Einkaufsstrategien von Gemeinden oder Unternehmen haben kann?

Ja, ich bin überzeugt davon. Transparenz wird immer wichtiger, gerade beim Einkauf von Ressourcen und Gütern. Labelinfo.ch hebt sich durch seine gut strukturierte, umfassende und unabhängige Bewertung von Nachhaltigkeitslabels ab. Wir bieten Einkaufsverantwortlichen eine hilfreiche Informationsplattform, um bewusste Entscheidungen in einem Markt zu treffen, der oft von Greenwashing und unklaren Nachhaltigkeitsversprechen geprägt ist.

Die Informationsplattform für Labels

Mehr über die neue Bewertungsmethodik, das Redesign und den Sinn und Zweck einer Label-Informationsplattform und die Lebensmittellabels:

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