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Wie Gemeinden Lichtverschmutzung wirksam reduzieren

Lukas Schuler
Blick auf eine hell erleuchtete Stadt

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6 Minuten Lesezeit

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Lichtverschmutzung nimmt laufend zu – dabei ist Komfort auch mit weniger Licht möglich. Moderne Lichttechnik erlaubt heute sanftes, warmes Licht nach Bedarf. Wo niemand ist, darf sich die Dunkelheit ihren Raum zurückerobern. Tiere, Pflanzen und auch die menschliche Gesundheit profitieren davon.

Die Nächte werden immer heller. 99 Prozent der Bevölkerung in Europa können die Milchstrasse über ihrem Wohnort nicht mehr sehen. Laut dem Citizen-Science-Projekt «Globe at Night» nehmen die Lichtemissionen am europäischen Nachthimmel jährlich um rund 6,5 Prozent zu. Damit verdoppelt sich die Lichtverschmutzung alle elf Jahre – eine Generation reicht, um 85 Prozent der Sterne auszublenden.

Zwar werden dank besser abgeschirmten und dimmbaren LEDs die Emissionen am Boden reduziert. Doch die Aufhellung der Atmosphäre durch Streulicht nimmt in unbesiedelten Gebieten weiterhin zu.

Was bedeutet Lichtverschmutzung?

Lichtverschmutzung bezeichnet künstlich erzeugtes Licht, das eine unerwünschte Aufhellung der Atmosphäre, Landschaft oder Umwelt verursacht – und dadurch störend oder schädlich wirkt.

Der Bund behandelt Licht als Teil der nichtionisierenden Strahlung und veröffentlicht seit 2005 Empfehlungen zur Vermeidung von Lichtemissionen. Die aktuellste Vollzugshilfe stammt aus dem Jahr 2021 und soll Mensch, Landschaft, Flora und Fauna vor den Auswirkungen der Lichtverschmutzung schützen.

DarkSky Schweiz unterstützt derzeit die technische Erneuerung der Norm SIA 491, die seit 2013 unnötige Lichtemissionen an der Quelle vermeiden will. Die Norm unterscheidet zwischen sicherheitsrelevantem Licht und dem Licht, das nur aus Werbe- oder Gestaltungszwecken installiert wird. Zweites unterliegt den Bestimmungen der Nachtruhe und soll ohne Nutzung von 22 bis 6 Uhr abgestellt werden.

Schweizerkarte eingefärbt nach Lichtemissionen.

Lichtemissionen 2024: Die Schweiz wird im Alpenraum immer heller, weil das besiedelte Mittelland oft immer noch weisses Licht einsetzt, statt auf intelligentes, warmes LED-Licht umzurüsten. Bild: DarkSky

Folgen für Biodiversität und Gesundheit

Künstliches Licht verändert die Lebensrhythmen zahlreicher Tier- und Pflanzenarten. Viele Tiere orientieren sich am natürlichen Wechsel von Hell und Dunkel – er bestimmt Nahrungssuche, Fortpflanzung und Wanderbewegungen. Auch Pflanzen reagieren empfindlich: Licht beeinflusst Wachstum und Fruchtbildung oft stärker als Temperatur.

Durch künstliches Licht geraten diese natürlichen Abläufe aus dem Gleichgewicht. Insekten, Fledermäuse, Amphibien oder Zugvögel verlieren Orientierung, Nahrung oder Lebensräume. Fehlgeleitete Insekten verenden vor Erschöpfung, lichtscheue Arten ziehen sich zurück, und ganze Nahrungsketten werden gestört. Drei Viertel der landwirtschaftlichen Kulturen sind auf bestäubende Insekten angewiesen – und diese brauchen dunkle Nächte.

Junikäfer taumeln vor einer Strassenlaterne herum.

Junikäfer taumeln orientierungslos an einer LED-Wegleuchte herum. Bild: L. Schuler, DarkSky

Auch der Mensch ist betroffen. Licht am Abend unterdrückt die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Untersuchungen zeigen, dass insbesondere ältere Menschen empfindlicher auf blaues und grünes Licht reagieren. Deshalb empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit warmes, gedämpftes Licht während der Abendstunden. Das Resultat dunklerer Nächte: besserer Schlaf, mehr Wohlbefinden und kein erhöhtes Risiko für Unfälle oder Kriminalität. Dunkelheit schafft Sicherheit – durch Gewöhnung, nicht durch Helligkeit.

Licht aus für mehr Natur – ein Erfahrungsaustausch für Gemeinden

Nutzen Sie die Möglichkeit, sich am 4. Dezember einen Nachmittag lang mit anderen Gemeinderät:innen, Naturschutzverantwortlichen und Werkhofleitenden im Online-Erfa zum Thema Lichtverschmutzung auszutauschen und voneinander zu lernen. 

Handlungsspielraum der Gemeinden

Gemeinden spielen eine zentrale Rolle bei der Reduktion von Lichtverschmutzung. Während Energiepolitik häufig auf Effizienz zielt, braucht es vor allem Suffizienz: weniger, gezielteres Licht – dort und dann, wo es wirklich gebraucht wird.

Wichtige Massnahmen für Gemeinden umfassen:

  • Intelligente Steuerung: Strassen-, Platz- und Wegbeleuchtungen sollten gedimmt oder ausgeschaltet werden, wenn kein Bedarf besteht. Intelligente Anlagen können auf den Verkehr statisch oder dynamisch, gemittelt oder situativ reagieren. Neuste Produkte lassen auch eine gedimmte Abschaltung zu, ohne dass die Steuerbarkeit verloren geht.

  • Warme Farbtemperaturen: Licht mit niedriger Farbtemperatur (unter 3000 Kelvin) reduziert den Blauanteil und schont Mensch und Tier.

  • Abgeschirmte Leuchten: Rückwärtige Rasterblenden oder Linsen mit grösserer Fläche mindern Blendung und die Aufhellung von Wohnräumen.

  • Zertifizierte Produkte: Dark-Sky-zertifizierte oder gleichwertige Leuchten sind bereits breit verfügbar.

  • SIA-Norm implementieren: Bei der Revision von Bau- und Nutzungs-Ordnungen (BNO, BZO) können Gemeinden die SIA-Norm 491:2013 als Planungsgrundlage für alle Aussenbeleuchtungen verbindlich erklären. Das visuelle Nachtruhe-Zeitfenster kann analog zum Lärmschutz im Polizei-Reglement festgeschrieben werden.

Eine vorausschauende Beleuchtungsstrategie senkt nicht nur Emissionen und kommt dabei Gesundheit und Natur zugute, sondern verringert auch Energieverbrauch und Kosten.

Sofortmassnahmen - die «Low hanging fruits»

Licht hat einzigartige Eigenschaften: Schaltet man es aus, verschwindet es spurlos mit Licht­geschwindigkeit. Zuviel Licht ist also sehr einfach und sofort reduzierbar. Darum können Gemeinden schnell Wirkung erzielen, etwa durch:

  • Abschalten nicht sicherheitsrelevanter Beleuchtung (z. B. Reklamen oder Fassadenbeleuchtung) zwischen 22 und 6 Uhr

  • Reduktion der Lichtintensität auf das tatsächlich Notwendige

  • Sensibilisierung der Bevölkerung und des Gewerbes für den Wert dunkler Nächte

Bewusstsein schaffen: Dunkelheit als Lebensraum

Aktionen für die Öffentlichkeit wie Earth Night, La Nuit est Belle oder Projet Perséides zeigen eindrücklich, dass Dunkelheit wertvoll ist.

Licht kennt keine Grenzen

Licht breitet sich über weite Distanzen aus – das Streulicht einer Stadt kann noch in 200 Kilometern Entfernung sichtbar sein. Licht der Stadt Zürich kann mit Ausnahme des Kantons Genf alle Kantone mit indirektem Streulicht erreichen und Genf erzeugt eine atmosphärische Aufhellung bis Basel, Luzern und Brissago – das Thema wirkt global. Eine Lichtschutz-Zone im politischen oder ökologischen Perimeter reicht also nicht aus.

Die grössten Potenziale bergen überregionale Zusammenarbeit und Dunkelschutzgebiete, wie sie die UNESCO und DarkSky International zertifizieren. Solche Zonen zeigen, was möglich ist: Sie schützen Biodiversität, fördern nachhaltigen Tourismus und setzen ein Zeichen für den Erhalt der Nacht.

Skyline der Stadt Fulda am Abendhimmel

Fulda in Hessen hat als eine der ersten deutschen Städte das Dark-Sky-Community-Label als Sternenstadt erhalten. Bild: Christian Tech

Dunkle Nächte als gemeinsame Aufgabe

Der Kanton Zürich möchte die Dunkelheit für Landschaftsschutzgebiete in seiner Raumplanung einführen. Ohne Pufferzonen wird das aber nichts. Hier sind zertifizierte Dark-Sky-Zonen wertvoll. Sie zeigen, was gemeinsam erreichbar ist und leisten einen sozio-ökologischen Beitrag zum Erhalt der Nacht.

Auch Gemeinden können sich für das Dark-Sky-Community-Label qualifizieren (es gibt bereits vier in Deutschland), wenn sie ihre Beleuchtung verbessern möchten. Das Label schafft Sichtbarkeit, Glaubwürdigkeit und trägt zu einem gemeinsamen Ziel bei: Die Nacht als wertvollen Lebensraum zurückzugewinnen.

DarkSky – im Einsatz für die Dunkelheit

DarkSky ist eine internationale Bewegung gegen die Verschmutzung von Himmel und Erde durch künstliches Licht. DarkSky International wurde 1988 in den USA gegründet. DarkSky Switzerland ist seit dem Jahr 2000 ein unabhängiger Verein und gehört als eine von zahlreichen nationalen oder regionalen Organisationen seit 1998 zu DarkSky.


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