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Beschaffung
Praxisbeispiel

Nachhaltige Beschaffung – nachhaltig umgesetzt

Eva Hirsiger
Der Wasserstrom am Mühlenplatz in Luzern.

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6 Minuten Lesezeit

Beschaffung

Praxisbeispiel

In Zusammenarbeit mit den Einkaufsverantwortlichen, der Finanzdirektion und der Dienstabteilung Umweltschutz hat die Stadt Luzern eine Richtlinie für die nachhaltige Beschaffung erarbeitet. Die Einführung der Richtlinie zeigt bereits Wirkung – auch bei den Lieferant:innen.

25 Park- und Grünanlagen, 16 Familiengartenanlagen und rund 11'000 Stadtbäume: An Grünraum mangelt es in der Stadt Luzern nicht. Und er ist hochwertig, denn seit 2017 darf sich die Stadt «Grünstadt Schweiz» nennen und orientiert sich bei der Beschaffung von Garten- und Grünprodukten an den Vorgaben dieses Labels für nachhaltiges Stadtgrün. So stammt ein Grossteil der Stadtpflanzen aus biologischem Anbau, es kommt torffreie Erde zum Einsatz und die Arbeitskleidung der Stadtgärtnerei-Mitarbeitenden erfüllt ökologische und soziale Kriterien.

Richtlinien mit Rückendeckung

Festgehalten sind die Grundsätze für eine nachhaltige Beschaffung der Stadt Luzern in einer vom Stadtrat im Juni 2020 beschlossenen Richtlinie. Mit einer ambitionierten Netto-Null-Strategie bis 2040, dem Aktionsplan «Luft, Energie, Klima 2015» und dem Bewusstsein über die eigene Vorbildfunktion ging die Stadt das umfassende Thema der nachhaltigen Beschaffung aktiv an. Die Projektleiterin Sibylle Sautier aus dem Team Luftreinhaltung, Klimaschutz, Energie erinnert sich an die Anfänge: «Wichtig war uns zum einen die Rückendeckung des Stadtrats und der Finanzdirektion. Zum anderen haben wir uns die Zeit genommen, die Erstkontakte mit allen Beteiligten sorgfältig herzustellen und ihnen Verantwortung zu übertragen. So entwickelte sich eine echte interdisziplinäre Zusammenarbeit.»

Das Klopapier fährt «EURO 5»

Von Fahrzeugen, Reinigungsmitteln, Toilettenpapier, Büromaterialien und Leuchtmitteln über Treibstoffe oder Heizöl bis hin zur IT-Infrastruktur, zu Textilien, Spielgeräten oder eben Grünprodukten – die Richtlinie legt mit konkreten Kriterien fest, worauf beim Einkauf zu achten ist, um die Klima- und Nachhaltigkeitsziele der Stadt zu erreichen. So sollen keine Reinigungsmittel mit gewässergefährdenden Inhaltsstoffen wie Phosphor oder schlecht abbaubaren Tensiden zum Einsatz kommen. Treibmittel in Sprays sind genauso ein Ausschlusskriterium wie tropische Hölzer bei den Büromöbeln. Handseifen müssen ein Umweltzeichen wie beispielsweise den «Blauen Engel» besitzen und neue Fahrzeuge sind wann immer möglich elektrisch angetrieben. Ersetzt werden die Produkte allerdings erst, wenn sie aufgebraucht sind oder ihr Lebensende erreicht haben – wie zum Beispiel Leuchtmittel. Sind ökologische Alternativen teurer, entscheiden die Dienstabteilungen innerhalb ihres Budgets. Eine Ausnahme bilden die Gasheizungen: Da ein Umstieg auf Biogas eine Verdoppelung der Kosten nach sich ziehen würde, wird dieses Geld stattdessen in den Umstieg auf fossilfreie Heizsysteme investiert.

Eine Beschaffungsrichtlinie für Ihre Gemeinde

Die Gesetze des öffentlichen Beschaffungswesens beinhalten gewisse grundlegende Nachhaltigkeitskriterien. Mit der Definition von eigenen Richtlinien und Vorgaben haben öffentliche Institutionen die Möglichkeit, ein zusätzliches Gewicht auf das Thema Nachhaltigkeit zu legen. In Beschaffungsrichtlinien können Städte und Gemeinden Grundsätze für ihre Beschaffungen definieren und konkrete Einkaufsempfehlungen für ausgewählte Produktegruppen formulieren. Dies hilft nicht nur den Einkäufer:innen, sondern sorgt auch für Einheitlichkeit und Transparenz bei der öffentlichen Beschaffung. Ausserdem hilft es Städten und Gemeinden, Ihre Vorbildrolle wahrzunehmen. Die Vorteile:

  • Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung auf die aktuellen Schweizer Umweltziele und die Netto-Null-Strategie 2050.

  • Politische Legitimation, nachhaltig einzukaufen

  • Klarheit und Absicherung für Einkäufer:innen

  • Umsetzung der neuen Beschaffungsgesetzgebung (BöB und IVöB)

  • Risikominderung (Imageschaden, Wahrnehmung der Öffentlichkeit, z.B. Thema Gesundheit am Arbeitsplatz etc.)

Pusch berät und unterstützt Sie bei der Bedürfnisabklärung und Erstellung oder Anpassung von auf Ihre Gemeinde abgestimmten Beschaffungsrichtlinien. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website.

Luzern setzt auf umweltschonenden Transport statt auf grosse Lager: So wird beispielsweise das Klopapier – von dem die Stadt pro Jahr rund 80'000 Rollen verbraucht und das zu 100 Prozent aus Recyclingpapier bestehen muss – regelmässig angeliefert. Aus diesem Grund fordert bereits die Ausschreibung, dass die Transportfahrzeuge mindestens der Abgasnorm «EURO 5» entsprechen müssen.

Bei genauem Hinsehen fällt auf, dass das Thema Verpflegung nicht Teil der Richtlinie ist. Sautier klärt auf: «Die städtischen Schulen und Heime beschaffen die Lebensmittel selbstständig. Sie haben eigene Nachhaltigkeitskonzepte und streben das Label ‹Fourchette verte› an, ein Qualitätslabel für gesunde Ernährung.» Für weniger Food Waste werden beispielsweise die Schüler:innen zu ihren Essensvorlieben befragt.

Austausch mit anderen

Sorgte die Idee der nachhaltigen Beschaffung noch vor einigen Jahren vielerorts für Stirnrunzeln, stösst sie heute auf mehr Verständnis. Das stellt Sautier auch bei den städtischen Einkäufer:innen fest: «Die Rückmeldungen sind äusserst positiv, ich spüre eine grosse Motivation und wir pflegen einen guten Austausch.»

«Die Rückmeldungen sind äusserst positiv, ich spüre eine grosse Motivation und wir pflegen einen guten Austausch.»

Sibylle Sautier, Team Luftreinhaltung, Klimaschutz und Energie bei der Stadt Luzern

Doch nicht nur die Kommunikation in den eigenen Reihen ist wichtig, auch der Austausch mit anderen Städten und Gemeinden ist unabdingbar: In der Regionalkonferenz Umweltschutz (RKU) tauschen sich elf Luzerner Gemeinden aus und rufen gemeinsame Projekte ins Leben. 2022 nimmt sich die RKU in einem Projekt der nachhaltigen Beschaffung an. «Ich erkundige mich gerne bei den Nachhaltigkeitsverantwortlichen anderer Städte, wie sie bestimmte Herausforderungen angehen», so Sautier, die sich auch im Vorstand der Interessensgemeinschaft nachhaltige öffentliche Beschaffung (IGÖB) engagiert (siehe Box).

Die Interessensgemeinschaft nachhaltige öffentliche Beschaffung (IGÖB)

Die Interessengemeinschaft nachhaltige öffentliche Beschaffung (IGÖB) bezweckt als Fachorganisation die Förderung der nachhaltigen  öffentlichen Beschaffung. Im Zentrum steht der Erfahrungsaustausch zwischen Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden zu ökologischen und sozialen Anforderungen in der öffentlichen Beschaffung. Neben Anforderungen an die Qualität und den finanziellen Aspekten sollen auch ökologische und soziale Kriterien massgeblich berücksichtigt werden.

Routiniert in die nachhaltige Zukunft

Die Einführungsphase der Richtlinie neigt sich dem Ende zu. Nun gilt es, zahlreiche qualitative und quantitative Daten auszuwerten. Ist die Beschaffungsrichtlinie verständlich formuliert, wo entstanden Missverständnisse, muss der Text angepasst werden? Befragungen der Beschaffungsverantwortlichen geben Aufschluss: Wurde beispielsweise beim Einkauf neuer Arbeitskleidung das Textilien-Merkblatt berücksichtigt und falls nicht, was waren die Gründe?

Das Projekt ziehe bereits Kreise, freut sich Sautier: «Unser Büromaterial-Lieferant hat uns nicht nur eine praktische Einkaufsliste mit umweltfreundlichen Produkten zusammengestellt, sondern gleich sein gesamtes Sortiment hinsichtlich Nachhaltigkeit unter die Lupe genommen.»

Für die Zukunft geht es Sautier nun darum, Routine aufzubauen. Während die Einkaufsverantwortlichen ihr Wissen festigen und Erfahrung sammeln, wird Sautier die Fühler weiterhin schweizweit ausstrecken, um interessante Entwicklungen nach Luzern zu holen: «Den Grundstein für ein nachhaltiges Beschaffungswesen haben wir erfolgreich gelegt und ich freue mich auf viele weitere interessante Aufgaben.»

Der Artikel ist im «Thema Umwelt» 1/2022 erschienen.
Titelbild: Stadt Luzern


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