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Biodiversität
Fachartikel

Kantonale Fachplanungen als kommunales Werkzeug

Barbara Schlup
Fridli Marti
Das Bild zeigt eine Stadt mit gemischten Gebäuden, grünen Flächen und Bahngleisen in sonniger Umgebung.

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4 Minuten Lesezeit

Biodiversität

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Tiere und Pflanzen halten sich an keine geografischen Grenzen. Darum schaffen die Kantone aktuell die Fachplanungen Ökologische Infrastruktur. Sie sollen helfen, ausreichend grosse Lebensräume zu vernetzen und bilden eine wichtige Grundlage für die Planung auf kommunaler Ebene.

Es sind die Kantone, die die Ökologische Infrastruktur (ÖI) planen – ein Netzwerk von Flächen, die für die Biodiversität wichtig sind. Sie erstellen für die jeweilige Kantonsfläche sogenannte Fachplanungen Ökologische Infrastruktur, die aus Karten und Texten bestehen. Regionen und Gemeinden können diese Fachplanungen für die weitere Vernetzung dieser Biodiversitätsflächen im eigenen Siedlungsraum ergänzen und konkretisieren.

Siedlungsraum mit Potenzial

Das Interesse am Thema ÖI im Siedlungsraum ist gross: Einerseits bei den Kantonen, die das Siedlungsgebiet im Rahmen der Fachplanung ÖI einbeziehen wollen. Andererseits von Gemeinden, die diese Vernetzung auch auf ihrem Gemeindegebiet umsetzen möchten. Auch der politische Druck zum Thema Biodiversität im Siedlungsraum im Sinne einer Gleichbehandlung der verschiedenen Raumeinheiten oder Sektoren wird immer stärker.

Aktueller Stand der kantonalen Fachplanungen

Die kantonalen Fachplanungen Ökologische Infrastruktur liegen im Entwurf vor. Sie zeigen für jeden Kanton, welche Flächen für die Biodiversität bereits vorhanden sind und wo weitere Flächen für den Erhalt der Biodiversität notwendig wären. Dafür bezeichnen sie Kern- und Vernetzungsgebiete und weisen auf Schwerpunkte für die künftige Entwicklung hin. Diese Inhalte werden für Teilebenen beziehungsweise für verschiedene gleichartige Lebensräume wie Trocken-, Feucht- oder mosaikartige Lebensräume ausgearbeitet.

Die Fachplanungen haben einen hinweisenden Charakter. Die Kantone können dadurch eine raumplanerische Festlegung vorsehen. Dazu bedarf es vorgängig einer Abstimmung mit den weiteren kantonalen räumlichen Interessen.

Trotz hohem Nutzungsdruck ist das ökologische Potenzial für die ÖI im Siedlungsraum nämlich vorhanden. Es handelt sich dabei mehrheitlich um Kleinflächen. Doch deren Funktion als Trittsteine wie auch als Naturerlebnis vor der Haustüre ist nicht zu unterschätzen – auch wenn die Artenvielfalt dabei anders aussehen kann als in «klassischen» Naturschutzflächen. Gerade auf solchen Flächen bieten sich im Siedlungsraum für die Fachplanung der ÖI verschiedene Synergien an – etwa mit dem Thema Erholungsnutzung oder mit Massnahmen zur Klimaanpassung.

Die Siedlungskarte zeigt Zürich mit farblich gekennzeichneten Bereichen wie neuen und bestehenden wertvollen Lebensräumen, Grünflächen und ökologischen Vernetzungskorridoren.

Potenzial für neuen Lebensraum im Siedlungsgebiet der Stadt Zürich. Bild: Grün Stadt Zürich

Gemeinden kennen ihre Geodaten am besten

Der Siedlungsraum ist ein integraler Bestandteil der kantonalen Fachplanungen ÖI. Trotzdem fehlt es oft an Inhalten, denn die kleinräumigen Lebensräume im bebauten Siedlungsgebiet werden nur ungenügend erfasst. Die Fachplanungen haben den Anspruch, eine Schwerpunktsetzung aus kantonaler Sicht darzustellen. Auch haben viele Kantone keinen Zugang zu kommunalen Geodaten, wie zum Beispiel die von der Gemeinde ausgewiesenen Schutzzonen oder Naturinventare.

Damit ist klar, dass die kantonale Fachplanung ÖI eine detaillierte Planung der Siedlungsökologie in einer Gemeinde nicht ersetzen kann und dies auch nicht will. Schliesslich ist auch zu beachten, dass im Siedlungsraum unter Umständen andere Akteur:innen wirken und andere Zuständigkeiten vorliegen (Gemeindeautonomie). Die kantonalen Fachplanungen ÖI können Anknüpfungspunkte liefern. Die Gemeinden können diese aufgreifen, ergänzen und in ihre regionalen und kommunalen Planungen integrieren.

Das Bild zeigt eine ökologische Freifläche mit Schotter, Pflanzen, einem Weg, umgeben von Grün und Gebäuden.

Die neu geschaffene Naturfläche rund um das Inselspital Bern bietet Pflanzen und Tieren mehr Lebensraum. Bild: Barbara Schlup

Wo können die Gemeinden ansetzen?

In grösseren Städten liegen Planungsarbeiten zur ÖI im Siedlungsraum bereits vor, wie zum Beispiel das Biodiversitätskonzept der Stadt Bern oder die Fachplanung Stadtnatur von Zürich. Für eine breite Anwendung in den mittleren und kleinen Gemeinden sind diese Konzeptionen jedoch zu aufwändig: Es liegen meist keine detaillierten Naturinventare vor und diese Gemeinden verfügen nicht über entsprechende Fachleute, um die Planungen intern zu erarbeiten oder zu begleiten.

Die zeitnahe Erstellung einer ÖI im Siedlungsraum ist jedoch essenziell, um wirkungsvoll Einfluss auf die Raumplanung und auf die bauliche Entwicklung zu nehmen und um Synergien, beispielsweise zur Klimaanpassung, zu nutzen.

Mit kantonalen Inputs zum vernetzten Siedlungsraum

Im Rahmen des Innovationsprojekt «Umsetzungsstrategien für die ÖI» wurde ein solches Vorgehen in einem Inputpapier beispielhaft aufgezeigt. Ziel ist es, ausgehend von der Gesamtplanung der ÖI in den Kantonen Anknüpfungspunkte für die weitere vertiefende Arbeit im Siedlungsraum zusammenstellen. Es handelt sich demnach um eine Art «Rahmenplanung» auf kantonaler Ebene, die die Anbindung oder die Anschlussfähigkeit der ÖI in den Siedlungsraum hinein sicherstellen soll.

Unterstützung für Gemeinden

Das Innovationsprojekt «Umsetzungsstrategien für die Ökologische Infrastruktur» erarbeitet eine anwendungsorientierte Hilfestellung zur Fachplanung im Siedlungsraum und zu deren Verankerung und Umsetzung auf kommunaler Stufe. Sie richtet sich an kommunale Behörden von mittleren und kleinen Gemeinden und wird anfangs 2025 auf der Projektwebsite unter www.öim.ch verfügbar sein (Website in Überarbeitung).

Der Kanton Glarus hat die Rahmenplanung bereits angewendet und die Resultate den Gemeinden präsentiert. Auch die Kantone Zug, Ob- und Nidwalden befinden sich in der Anwendung. Der Kanton Bern plant, den politischen Regionen einen aufbereiteten Auszug der kantonalen Fachplanung zur Verfügung zu stellen. Die Kantone sind frei, eigene Vorgehen zu entwickeln.

Titelbild: Yasemin Kurtogullari


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