Umweltkommunikation in Pratteln – informieren, sensibilisieren, motivieren
Wer mitreden kann, ist am Ende zufriedener mit dem Resultat – davon ist die Gemeinde Pratteln überzeugt. Um die Bevölkerung für Projekte und Veränderungen ins Boot zu holen, haben Kommunikation und Mitwirkung in der Baselbieter Gemeinde einen hohen Stellenwert.
Mit der letzten Anpassung des Bundesgesetzes über die Raumplanung hat das Stimmvolk seinen Willen gezeigt, die Zersiedlung zu bremsen. Gleichzeitig wird weiterhin ein Bevölkerungswachstum prognostiziert. Vor kurzem wurde in der Schweiz die Neun-Millionen-Marke geknackt. Der Zersiedlung kann also nur mit einer inneren Verdichtung Einhalt geboten werden.
In Pratteln (BL) sind gleich mehrere grosse Transformationen im Gange, welche dieses Ziel verfolgen. Damit dieser Prozess jedoch auch von der Bevölkerung getragen wird, muss die Innenentwicklung qualitativ wertvoll und nachhaltig sein – eine grosse Chance für die Gemeinde mit ihren 16'700 Einwohner:innen.
Dialog – analog und digital
Die Gemeinde erarbeitet seit Anfang 2022 ein räumliches Entwicklungskonzept (REK), um die Themen Siedlung, Freiraum, Mobilität, Klima und Energie zu koordinieren und so Synergien zu nutzen. In einem ersten Schritt konnte sich die Bevölkerung an vier Mitwirkungsveranstaltungen aktiv in diesen Prozess einbringen. Anschliessend verlagerte sich der Austausch auf die neu geschaffene digitale Dialogzentrale (www.mach-mit.pratteln.ch). Mit der Kombination aus analogem und digitalem Angebot konnte eine breitere Bevölkerungsgruppe angesprochen und in die Planung involviert werden. Im Laufe des Planungsprozesses ermöglichte das einen spannenden Dialog mit den Einwohner:innen.
Entstanden sind daraus Teilstrategien zu den einzelnen Themen, die in einem Zukunftsbild zusammengefasst wurden. Das Zukunftsbild dient als Grundlage, um bei künftigen Planungen mit unterschiedlichen Interessengruppen Synergien zu erkennen und zu nutzen.
Grüne Nischen: kleine Veränderungen mit grosser Wirkung
Wichtig für die nachhaltige Siedlungsentwicklung sind naturnahe Grün- und Freiräume mit vielfältigen Funktionen. Um das Siedlungsgebiet möglichst struktur- und nischenreich zu gestalten, sind das Interesse und Engagement der Bevölkerung unverzichtbar. Denn jede:r kann etwas zum Schutz der Artenvielfalt beitragen. In der Summe haben auch kleine Massnahmen grosses Potenzial.
Dass etwas Grosses entstehen kann, wenn viele einen Beitrag dazu leisten, zeigt das Stehgewässerkonzept von Pratteln aus dem Jahr 2019. Seither sind sieben neue Weiher entstanden, gebaut von vier verschiedenen Institutionen. Zusammen mit nochmals so vielen neuen Biotopen in der Nachbargemeinde ist ein wertvolles Netzwerk für die bedrohte Geburtshelferkröte entstanden. Ein deutliches Signal: Gemeinsam können wir die Artenvielfalt erhalten.
Freiräume sind das Herz einer Siedlung
In Fachkreisen wird die Notwendigkeit der inneren Verdichtung inzwischen kaum mehr in Frage gestellt. Entsprechende Projekte haben es in unseren demokratischen Prozessen jedoch zunehmend schwer. Eine erfolgreiche Innenverdichtung muss die Bevölkerung von Anfang mit einbeziehen, damit am Ende beim Beschluss keine unangenehmen Überraschungen folgen.
Pratteln plant derzeit rund um den Bahnhof die Transformation eines Gewerbe- und Industrieareals von über 150'000 Quadratmetern. Es entstehen Arbeitsplätze und Wohnraum für mehrere Tausend Einwohner:innen. Mit dem REK wurde der Freiraumbedarf der wachsenden Bevölkerung von Pratteln analysiert. Die Gemeinde besitzt südlich der Bahn bereits mehrere grosse Park- und Sportflächen. Die bestehenden Grünräume sollen kreisförmig um den Bahnhof ergänzt werden, um so an zentraler Lage ein willkommenes Angebot zu schaffen.
Seit Beginn der Entwicklung liegt ein Fokus auf dem öffentlichen Raum. Auch ökologische Ausgleichsmassnahmen sind vorgesehen, um die dichte Überbauung zu kompensieren. Mehr Bauen ist somit nicht unbedingt schlecht für die Artenvielfalt. Pflege und Unterhalt müssen jedoch in einem separaten Vertrag gesichert werden, um die Biodiversität dauerhaft zu fördern.
Nicht ohne Partizipation
Das laufende Quartierplanverfahren «Gleis Süd» zeigt, dass eine frühzeitige Beteiligung der Bevölkerung eine befruchtende Wirkung auf Prozesse haben kann. Im Wissen um den schwierigen Standort hat die Gemeinde die Bevölkerung bereits vor der Erarbeitung des Quartierplanes an drei Veranstaltungen informiert und ihre Meinung zu spezifischen Themen abgeholt. Eine vertieftere Mitwirkung ist für das kommende Jahr vorgesehen.
Kommunikation erfolgt auf verschiedenen Ebenen
Die Gemeinde Pratteln verpflichtete sich in den Legislaturzielen, die Biodiversität unter Berücksichtigung der Interessen von Land- und Forstwirtschaft zu fördern. Im Rahmen des kantonalen Förderprogramms «Natur im Siedlungsraum» werden 16 Flächen im Siedlungsgebiet aufgewertet. Ein Kommunikationskonzept begleitet die Massnahmen und soll deren Wirkung verstärken.
Pratteln möchte eine Vorbildrolle einnehmen und stellt sich entsprechend auf – ganz nach dem Motto: Tue Gutes und sprich darüber. Das bedeutet zum Beispiel, dass nun Schilder vor Ort frische Aufwertungen erklären. Und dass die Einwohner:innen über die kommunale Zeitung, die Gemeinde-Website und auf Social Media zusätzliche Informationen erhalten.
Aktivierung von Privatpersonen
Für eine noch grössere Wirkung muss die Kommunikation auch beim privaten Engagement ansetzen, um Privatpersonen zum Handeln zu motivieren. Einwohner:innen sollen selber aktiv werden und Massnahmen umsetzen.
Die einfachste Möglichkeit, die Bevölkerung zu «spüren», ist der direkte Kontakt. An mehreren Anlässen über das Jahr hinweg sucht Pratteln daher den direkten Dialog mit der Bevölkerung, um sie für wichtige Themen zu sensibilisieren. Im ersten Halbjahr sind dies jeweils der Wildpflanzenmarkt mit einem Infostand und der Neophytentag. Im Herbst wird am Naturschutztag jeweils ein Pflegeeingriff oder eine Aufwertung ausgeführt. Alle zwei Jahre organisiert die Gemeinde im Rahmen des Festivals der Natur einen Aktionstag mit diversen Führungen.
Solche Anlässe sind sehr wertvoll für den Austausch. Der Aufwand dafür ist für die Gemeinde jedoch nur in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen oder Vereinen wie der Bürgergemeinde oder dem Natur- und Vogelschutzverein tragbar. Ein Nachteil: Man erreicht auf diese Weise tendenziell eher bereits für das Thema sensibilisierte Bevölkerungsgruppen.
Pratteln wird auch in Zukunft auf eine breit aufgestellte Kommunikation setzen, um das Verständnis für die Artenvielfalt zu fördern. Der Fokus soll noch stärker auf Informationen vor Ort liegen.
Titelbild: Martin Classen