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Abfall und Konsum
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Vom Wissen zum Handeln – wie Verhaltensänderung gelingt

Annette Jenny
Hände einer Frau legen einen Plastikdeckel auf eine violette Plastikbox mit einem Take-away-Menü

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6 Minuten Lesezeit

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Recycling, Velofahren, Energiesparen – es gibt vieles, was wir tun können, um umweltfreundlicher und nachhaltiger zu leben. Und doch tun wir das nicht immer. Wieso eigentlich nicht? Was motiviert uns zum Handeln? Und wie wird umweltfreundliches Handeln möglich?

Wieso benutzt jemand zum Beispiel Einweg- statt Mehrweggeschirr und belastet damit die Umwelt? Um Entscheidungen besser zu verstehen, müssen wir die Handlung genauer unter die Lupe nehmen – und zwar unterteilt nach drei Aspekten:

  1. Person

  2. Struktur

  3. Situation

1. Person: Der Mensch hinter der Handlung

Die inneren Faktoren einer Person beeinflussen ihr Handeln: Was will sie? Was weiss die Person beziehungsweise glaubt sie zu wissen? Was kann sie oder glaubt sie zu können?

Vielleicht findet die Person es wichtig, die Umwelt zu schützen, scheut aber den (vermeintlichen) Aufwand, ein Mehrweggeschirr zu kaufen und mit sich zu tragen. Möglicherweise weiss die Person auch, dass ein hohes Abfallaufkommen schädlich für die Umwelt ist, ist sich jedoch nicht im Klaren darüber, welche konkreten Umwelteffekte die Nutzung von Mehrweggeschirr hat. Oder die Person ist der Ansicht, dass der Umgang mit Mehrweggeschirr spezielle Fähigkeiten benötigt, über die sie nicht verfügt.

2. Struktur: Die äusseren Bedingungen

Handlungen werden nicht im luftleeren Raum ausgeführt. Unser Tun wird auch aufgrund von äusseren strukturellen Bedingungen beeinflusst.

  • Welche Angebote und Infrastrukturen sind vorhanden?

  • Gibt es finanzielle Anreize?

  • Und wie steht es um die kulturellen Gepflogenheiten?

In unserem Beispiel wäre relevant, ob Mehrweggeschirr einfach erhältlich ist und in Restaurants und Take-Aways auch genutzt werden kann. Mehrkosten für die Nutzung von Mehrweggeschirr könnten abschreckend wirken, begünstigend wären hingegen beispielsweise Rabatte, etwa wenn ein Menü etwas weniger kostet, wenn man Mehrweggeschirr nutzt.    

3. Situation: Was passiert gerade sonst noch?

Jede Handlung geschieht in einer spezifischen Situation: Was passiert im Moment, in welchem das Individuum handelt? So könnte die Person den Vorsatz, das Mehrweggeschirr am Morgen mitzunehmen, wieder vergessen. Oder die Person wird im Restaurant nicht genug deutlich darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit von Mehrweggeschirr besteht.

Die Hand eines Mannes streckt einer Frau ein violettes Mehrweggeschirr mit Plastikdeckel entgegen, die Hände der Frau greifen danach.

Ist Mehrweggeschirr im Restaurant einfach erhältlich? Das hat einen Einfluss auf das Verhalten der Kund:innen. Bild: reCIRCLE

Drei Ansätze für Verhaltensänderungen

Wollen wir das Handeln von Personen zugunsten der Umwelt beeinflussen, stehen uns die drei erwähnten Aspekte als Startpunkt für Verhaltensänderungen zur Verfügung. Folgende Ansätze können entsprechend eingesetzt werden:

  • Personenfokussierte Ansätze: Mit diesen Ansätzen versucht man, personenimmanente Faktoren zu verändern, nämlich die Motivation, das Wissen und die Fähigkeiten von Personen.

  • Strukturfokussierte Ansätze: Mit diesen Ansätzen werden die Rahmenbedingungen des Verhaltens verändert. Dazu gehören Gebote und Verbote, marktwirtschaftliche Instrumente wie Subventionen oder Steuern, bindende Vereinbarungen wie Produktenormen oder Gebühren sowie Service- und Infrastrukturinstrumente wie das Bereitstellen oder der Rückzug von Produkten und Dienstleistungen.

  • Situationsfokussierte Ansätze: Mit diesen Ansätzen wird auf Verhaltensgelegenheiten hingewiesen oder die Situation derart verändert, dass ein Verhalten automatisch ausgeführt wird. Hilfreich sind hier Erinnerungshilfen, Standardeinstellungen oder konkretes Feedback.

Von der Theorie zur Praxis

Wir bleiben beim Beispiel des Mehrweggeschirrs: Die Nutzung von Mehrweggeschirr lässt sich also durch eine Kombination der drei Ansätze fördern. Eine Gemeinde kann beispielsweise Verpflegungsbetrieben eine Anschubfinanzierung für ein Abo bei einem Mehrweggeschirr-Anbieter gewähren oder bei gemeindeeigenen Events ein Gebot für Mehrweggeschirr veranlassen – beides strukturfokussierte Ansätze.

Psychologische Ansätze lassen sich für eine Vielzahl von Verhaltensweisen einsetzen, gerade auch in Bereichen mit hoher Umweltwirkung wie Ernährung, Mobilität oder Wohnen.

Die Gemeinde kann die Verpflegungsbetriebe zudem dazu auffordern, die Nutzung von Mehrweggeschirr bei ihrer Kundschaft zu unterstützen – durch Rabatte (strukturfokussiert) oder auch über Hinweise und durch eine prominente Platzierung dieses Angebots (situationsfokussiert).

Beide, sowohl Gemeinden wie auch Verpflegungsbetriebe, können zudem via Kommunikation über die Wichtigkeit und Wirksamkeit von Mehrweggeschirr informieren (personenfokussiert).

Weitere Ansätze für eine nachhaltige Ernährung

Diese Ansätze lassen sich für eine Vielzahl von Verhaltensweisen einsetzen, gerade auch in Bereichen mit hoher Umweltwirkung wie Ernährung, Mobilität oder Wohnen. So könnten Gemeinden beispielsweise bei Verpflegungsdienstleistungen einen hohen Anteil an vegetarischen Menüs oder kleinere Portionen Fleisch pro Menü anstreben, beides strukturfokussierte Massnahmen.

Auch situationsfokussierte Ansätze könnten zum Zug kommen, indem in gemeindeeigenen Verpflegungsbetrieben das vegetarische Menü als Standardeinstellung immer an erster Stelle präsentiert wird.

Mobilitätsverhalten beeinflussen

Auch für die Förderung einer umweltfreundlichen Mobilität stehen vielfältige Ansätze zur Verfügung: Wichtig sind strukturfokussierte Massnahmen wie der Aufbau von Infrastrukturen und Dienstleistungen für eine umweltfreundliche Mobilität, beispielsweise eine gute Veloinfrastruktur und Veloverleihsysteme sowie finanzielle Anreize für die ÖV-Nutzung. Dies kombiniert mit einem Abbau von Infrastruktur und Dienstleistungen für den motorisierten Individualverkehr (MIV), etwa durch die Reduzierung oder Verteuerung von Parkplätzen.

Eine Velofahrerin mit Sonnenbrille fährt neben einem Auto durch eine 30er-Zone.

Der Ausbau der Veloinfrastruktur ist ein strukturfokussierter Ansatz zur Verhaltensänderung.

Personenfokussierte Angebote wären beispielsweise Mobilitätspakete für Neuzuzüger:innen mit Informationen zu umweltfreundlicher Mobilität in der Gemeinde (siehe Beitrag «Mobilitätsverhalten zum richtigen Zeitpunkt lenken».)

Wie geht Verhaltensänderung beim Wohnen?

Auch im Wohnbereich kann die Gemeinde – insbesondere über strukturfokussiere Ansätze – Einfluss nehmen: Durch Belegungsvorschriften oder maximale Wohnungsgrössen bei eigenen Bauten kann Fläche gespart werden. Informationsangebote und Beratung zum Energiesparen können zudem als personenfokussierte Massnahmen eingesetzt werden. 

Diese Beispiele zeigen: Das Verständnis und die Förderung umweltfreundlichen Handelns können über die Ansätze Person, Struktur und Situation verbessert werden. Gemeinden können durch eine Kombination dieser Ansätze das Verhalten der Bevölkerung positiv beeinflussen und umweltfreundliche Lebensweisen unterstützen.

Quellen:

Titelbild: reCIRCLE


Mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) veröffentlicht Pusch 2024 eine Serie von Artikeln zu den Themen Abfall und Konsum. Die Beiträge bieten Gemeinden Fachwissen und Inspiration, um Private für einen ressourcenschonenden Lebensstil zu begeistern.


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