23.08.2019

Klimaschutz: Lohnt sich die Investition in die Gasversorgung?

PUSCH-Tagung zur Wärmewende

Städte, Gemeinden und Energieversorgungsunternehmen investieren heute in den Wärmemix der Zukunft. Um die Pariser Klimaziele erreichen zu können, sind grosse Schritte und Innovationskraft der Gas-Anbieter gefordert, ein massiver Ausbau bei Fernwärme, Wärmepumpen und erneuerbaren Energien sowie mehr Energieeffizienz.

Der Wärmesektor macht fast die Hälfte des inländischen Endenergieverbrauchs aus. Um die langfristigen Klimaschutzziele zu erreichen, ist deshalb parallel zur Strom- auch eine Wärmewende notwendig. Fossiles Erdöl und Erdgas für die Wärmeversorgung haben in diesem Zukunftsszenario keinen Platz mehr. «Erfolgreicher Klimaschutz ist kein Spaziergang, sondern eine herausfordernde Wanderung, die wir nur gemeinsam schaffen», sagt dazu Felix Meier, Geschäftsleiter der Stiftung Pusch, anlässlich der Tagung «Wärmewende mit oder ohne Gas?» im Zürcher Volkshaus mit rund hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern. «Die Wärmewende erfordert grosse Schritte und Innovationskraft der Gas-Anbieter und einen massiven Ausbau von Alternativen: Dazu gehören «Grüne Gase», Fernwärme, Wärmepumpen, erneuerbare Energien und nicht zuletzt Effizienz.»

Fehlinvestitionen vermeiden

Expertinnen und Experten präsentieren Lösungsansätze, wie die Umstellung auf eine umweltfreundliche Wärmeversorgung funktionieren kann. Sie zeigen das Potenzial von erneuerbaren Wärmequellen sowie die Bedeutung der Sektorkopplung auf und diskutieren die Frage, welche Rolle neben Umgebungs- und Fernwärme Biogas und synthetisches Gas («Grüne Gase») im Wärmemix der Zukunft spielen werden. Das Potenzial von Biogas und der Power-to-Gas-Technologie wird kontrovers diskutiert. Entscheidend sind die Auswirkungen auf die Netzinfrastrukturen für Fernwärme und Gas, die an die neuen Anforderungen angepasst werden müssen.

Die Langlebigkeit dieser Infrastrukturen erfordert, dass Städte, Gemeinden und Energieversorgungs-unternehmen jetzt die Weichen für eine nachhaltige Wärmeversorgung stellen müssen: Sie sind gefordert, die Bedeutung von Fernwärme und Gas in der Energieplanung neu zu definieren, ihre Investitionen langfristig zu planen und Fehlinvestitionen zu vermeiden. «Inwieweit Gemeinden oder Unternehmen in Feinverteilungsnetze von Gas investieren, müssen diese selber entscheiden. Klar ist, dass das Risiko für solche Investitionen in den kommenden Jahren massiv steigen wird», zeigt sich Felix Meier überzeugt.

Viele offene Fragen, aber auch klare Tendenzen zur Rolle von Gas in der zukünftigen Wärmeversorgung stellt Beat Meier der Beratungsfirma Econcept fest. «Auch wenn der Anteil erneuerbarer Gase steigt, kann er die heutigen Erdgasmengen nicht ersetzen. Der Gasabsatz insgesamt wird in einer dekarbonisierten Energieversorgung tiefer sein», sagt er. Wenn sich der Gaseinsatz langfristig prioritär auf industrielle Prozesse und die Spitzenlastabdeckung in thermischen Netzen konzentriere, gebe es eine ausgeprägte Redimensionierung des Gasnetzes für die räumlich breite Wärmeversorgung. Zudem eröffne die Wärmetransformation Möglichkeiten für neue Geschäftsfelder.

Klimaziele erreichen

«Um die Klimaziele zu erreichen, muss in Winterthur der Gas-Absatz in den nächsten Jahren deutlich sinken», sagt auch Heinz Wiher, Leiter der Energiefachstelle der Stadt Winterthur. Dort betrug der CO2-Ausstoss 2016 pro Kopf und Jahr 4.9 Tonnen. Die politische Vorgabe des Gemeinderates ist neu eine Tonne bis 2035. «Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Wärmeversorgung bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend fossilfrei erfolgen», sagt er weiter. «Ein Ausbau des Gasnetzes ist zu verhindern, auch der Ersatz von bestehenden Gasleitungen muss kritisch hinterfragt werden, weil die Amortisationszeiten deutlich kürzer sein werden, als bisher angenommen.»

Auch Basel-Stadt steht eine Wärmetransformation bevor. Dabei sollen die Fernwärme ausgebaut und Wärmeverbunde entwickelt werden, wie Markus Balmer ausführt, Leiter Vertrieb bei IWB, der Energie- und Wasserversorgerin des Kantons Basel-Stadt. Bis 2050 soll dort der CO2-Ausstoss pro Kopf und Jahr gemäss Energiegesetzgebung von 2017 maximal eine Tonne betragen. An diesem Ziel richten sich Vorschriften und Fördermassnahmen aus. Werden beispielsweise mit Öl und Gas betriebene Heizungen und Anlagen für Warmwasser ersetzt, besteht eine Pflicht zum Umsteigen auf ein erneuerbares System wie Wärmepumpen oder zum Anschluss an das Fernwärmenetz, sofern die technische und finanzielle Machbarkeit gegeben ist. IWB versorgt neben Basel-Stadt auch 29 Gemeinden in den Kantonen Basel-Landschaft, Aargau und Solothurn. Mit letzteren stimmt das Unternehmen die Wärmetransformation individuell ab. Für Basel-Stadt treibt das Unternehmen nicht nur den Ausbau der Fernwärme, die Entwicklung, den Bau und den Betrieb von Wärmeverbunden voran, sondern es muss im Rahmen der gesetzlich erforderlichen Umstellung und in Abstimmung mit den Kundinnen und Kunden teilweise auch die Gasversorgung stilllegen.