Gemeinsam ein Oasennetz knüpfen
In Steffisburg (BE) fügt sich die neuste Naturoase – eine Blumenwiese auf einem Schulareal – in ein grösseres Ganzes ein. Die Gemeinde setzt auf Vernetzung und Beziehung: Öffentlichkeitsarbeit und das Mitwirken der Bevölkerung spielen bei ihren Aufwertungen eine zentrale Rolle.
«Für Naturoasen findet man immer einen Platz», ist Elisabeth Kopp, Stabsmitarbeiterin des Gemeindepräsidiums Steffisburg (BE), überzeugt. Sie ist gleichzeitig Leiterin des Projekts «KulturGarten», mit dem die Gemeinde ihre rund 16'000 Einwohner:innen für Biodiversitätsthemen sensibilisiert. Der Aufruf im Rahmen des Pusch-Projekts «Naturoasen, jetzt!» kam für Kopp genau zur rechten Zeit: Bereits war ein Blumenwiesenworkshop mit der Bevölkerung geplant. Dank der Unterstützung von Pusch konnte auf einer Schulanlage eine weitere Naturoase realisiert werden.
Ein Blütenmeer mit Wirkung
«Die Schüler:innen von heute sind die Erwachsenen, also die Entscheidungsträger:innen, von morgen», betont Kopp. Deshalb ist ihr besonders wichtig, die Kinder heute für Kreisläufe zu sensibilisieren und mit ihnen Zeichen zu setzen – zum Beispiel mit kleinen, blühenden Oasen.
Die Biodiversitätsaufwertung auf dem Schulareal Bernstrasse war zügig aufgegleist. Von Vorteil war dabei, dass Kopp nicht zum ersten Mal mit der Schule zusammenarbeitete. Zudem haben Naturthemen bei den Lehrkräften vor Ort eine hohe Priorität. Die fachliche Begleitung übernahm Daniel Mosimann, Inhaber eines Bioterra-zertifizierten Gartenbau-Unternehmens aus der Region, dessen Unterstützung die Gemeinde bereits in der Vergangenheit in Anspruch genommen hatte. Die Schule legte nach einer gemeinsamen Begehung mit Naturgärtner Mosimann und Elisabeth Kopp mehrere Flächen zur Aufwertung fest. Die Schüler:innen haben sich mit Freude auf dem Schulareal gemeinsam mit ihren Lehrpersonen und Daniel Mosimann für die Förderung der Biodiversität engagiert. Sie schieden Grasflächen aus, die nun ungehindert wachsen dürfen, reicherten in anderen Bereichen die Erde mit Sand an und bereiteten sie so für das Ansiedeln von heimischen Blumen vor. Neu gepflanzte einheimische Stauden ergänzen das Bild. Unter Bäumen am Eingang zum Areal entstand zudem ein rund 30 Zentimeter tiefes Erdloch. Dieses wurde mit Sand gefüllt und dient nun bodenbrütenden Wildbienen als Unterkunft.
Für Kopp ist die Naturoase auf dem Schulhausareal ein schönes Vorzeigebeispiel, denn sie ist überzeugt: «Fast jede Schulanlage weist Flächen auf, die sich naturnaher gestalten lassen.» Zudem sei das Interesse der Verantwortlichen durchaus vorhanden und werde sich sicher noch verstärken, wenn sich die Wirkung in Form eines Blütenmeers zeige.
Für Veränderung braucht es die Bevölkerung
In den letzten Jahren ist in Steffisburg viel zugunsten der Biodiversität passiert. Als die Ortsplanung den Blick auf die zahlreichen «toten» Flächen und Winkel im öffentlichen Raum lenkte, erkannte die Gemeinde ein Potenzial zur Aufwertung. Noch fehlte aber die Erfahrung mit solchen Vorhaben. Für Elisabeth Kopp, damals frisch mit der Leitung des Projekts «KulturGarten» betraut, war klar: Es musste um mehr gehen, als die simple Begrünung der Flächen, die bisher niemand nutzte. Klimawandel, Biodiversität und Ernährung sind Themen, die sie schon länger beschäftigten.
«Für langfristige Veränderungen braucht es auch die Zivilgesellschaft.»
– Elisabeth Kopp, Stabsmitarbeiterin des Gemeindepräsidiums Steffisburg
Die Projektleiterin sieht Gemeinden in einer Vorbildrolle, erkennt aber auch Grenzen: «Für langfristige Veränderungen braucht es auch die Zivilgesellschaft.» In der Bevölkerung nimmt sie einen starken Wunsch nach Veränderung war. Würden sich die ungenutzten Flächen nicht auch nutzen lassen, um Menschen zu vernetzen? Sie für mehr Nachhaltigkeit zu sensibilisieren? Die Verbundenheit mit der eigenen Gemeinde zu stärken und Integration zu fördern? Wichtig ist für Kopp dabei vor allem die Wechselwirkung zwischen Theorie und Praxis: «Reine Informationsveranstaltungen können ein Einstieg sein, aber die Menschen sollen auch mitmachen und selber etwas umsetzen.»
2019 entstand so gemeinsam mit dem Natur- und Vogelschutzverein Steffisburg und der Bevölkerung eine erste Naturoase. Ein öffentlich zugänglicher Mustergarten, der sowohl die Biodiversität direkt fördert als auch dafür sensibilisiert. Ein Jahr später gestaltete die Gemeinde einen Kreisel zum Lebensraum für Wildbienen und Insekten um.
Sichtbares Engagement der Gemeinde
Die Blumenwiesen auf dem Schulareal Bernstrasse sind die konsequente Weiterentwicklung der Bestrebungen in Steffisburg. Parallel zur Aufwertung auf dem Schulareal gestaltete der Werkhof dann auch weitere Verkehrsbegleitflächen naturnah um.
Darüber hinaus konnte die Aktion mit einem ergänzenden Workshop für die Bevölkerung noch breiter Wirkung entfalten. 35 interessierte Personen lernten dabei von Fachmann Mosimann, wie man eine Blumenwiese anlegt und pflegt. «Pusch half, unsere Idee grösser zu machen und die Wirkung zu verstärken», freut sich Kopp. Das nasskalte Wetter und die pandemiebedingten Einschränkungen verlangten den Beteiligten am Blumenwiesen-Workshop zwar einiges ab. Nichtsdestotrotz war die Aktion für die Projektleiterin ein voller Erfolg: «Gemeinsam mit der Bevölkerung Neues zu schaffen, ist unbezahlbar.»
Das Schöne daran: Das Engagement ist sicht- und spürbar. Auch wenn gelegentlich jemand kritisch nachfrage, werde die Arbeit insgesamt nicht infrage gestellt. Seit 2019 schafft ausserdem ein Biodiversitätskonzept in Steffisburg eine Legitimationsgrundlage. Man könne nicht ein Konzept erarbeiten und dann nichts machen, betont Kopp.
Mehr Aufmerksamkeit
Für die Kommunikation rund um den Blumenwiesen-Workshop setzte Kopp unter anderem auf die sozialen Medien. Nach jedem Post stiegen anschliessend die Anmeldungen. Motivierende Kommunikation rund um die Projekte sei wichtig. Deshalb dokumentiert Elisabeth Kopp die Veranstaltungen jeweils mit der eigenen Kamera. Einige der Bilder stellt sie online, da sie einen schönen Eindruck davon gäben, wie interessierte und engagierte Menschen anpacken. Auch dasVideo zum Blumenwiesen-Workshop (zu sehen am Ende des Artikels) das Pusch in Steffisburg produzieren durfte, helfe bei der Öffentlichkeitsarbeit für weitere Anlässe. Neben der eigenen Kommunikation sind Partnerschaften für Kopp ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor: Zusammen erreicht man mehr Sichtbarkeit und steigert die Wirkung. Ideal sei eine Aufgabenteilung oder ergänzende Kommunikation. Ein wichtiger Partner ist beispielsweise der Natur- und Vogelschutzverein. Das gemeinsame Ziel von mehr Natur im Siedlungsraum verbinde, so Kopp. Und der regelmässige Austausch schaffe Raum für neue Ideen. Ausserdem sei das freiwillige Engagement der Vereinsmitglieder unverzichtbar.
Potenzial für das grosse Ganze
Was 2018 als Sprung ins kalte Wasser begann, ist für Elisabeth Kopp zur Herzensangelegenheit geworden. «Es geht nicht nur um Biodiversität, das Klima oder um Ernährung. Man muss das grosse Ganze sehen!» Sie habe in den vergangenen drei Jahren so viel Neues gelernt und das enorme Potenzial erst entdeckt: «Es gibt noch so viel zu tun, als Gesellschaft, als Gemeinde, als Bevölkerung.»
Der Artikel ist im «Thema Umwelt» 4/2021 erschienen.
Titelbild: Elisabeth Kopp