Gemeinde
Biodiversität
Praxisbeispiel

«Einfach machen»

Priska Messmer
Zwei Männer pflanzen Setzlinge in der Naturoase Uster ein.

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6 Minuten Lesezeit

Biodiversität

Praxisbeispiel

Ganz nach dem Motto «Chancen nutzen, wenn sie sich präsentieren» entstand in Uster eine Naturoase der ersten Stunde. Ein aufgewerteter grüner Korridor schafft eine wertvolle Verbindung zwischen Landwirtschaftsfläche und Siedlungsgebiet. Im Interview erklärt Philipp Jucker, Leiter des Bereichs Biodiversität in der Stadt Uster, warum er ein grosser Fan des Opportunitätsprinzips ist. 

Herr Jucker, Sie sind über den Pusch-Newsletter auf das Projekt «Naturoasen, jetzt!» aufmerksam geworden. Wie ging es weiter?

Ich war mit dem Velo unterwegs ins Büro und bin – mit dem Pusch-Aufruf im Hinterkopf – per Zufall auf eine Fläche aufmerksam geworden, in der ich Potenzial sah. Ein langer Streifen, eine sogenannte Restgrünfläche am Wegrand. Die Fläche gehört der Stadt Uster, ist aber etwas in Vergessenheit geraten. Der Wiesenstreifen wurde zwar ab und an gemäht, lag sonst aber brach. Ich dachte mir: Da kann man etwas machen! Dass die Fläche an einem stark frequentierten Weg liegt und deshalb ein gutes Schaufenster für Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Biodiversität bietet, war ein grosses Plus. Deshalb war es mir auch wichtig, verschiedene Strukturen zu schaffen, um beispielhaft Möglichkeiten aufzuzeigen. Nach zwei, drei internen Telefonaten wurde die Idee zum konkreten Plan.

Dann gab es keine internen Widerstände gegen das Projekt?

Zum Glück nicht. Die Abteilung Finanzen, welche die Liegenschaften der Stadt Uster verwaltet, hatte keine Einwände gegen die Oase, solange eher kleinere Strukturen geplant waren. Da sich langfristig für das Gebiet auch eine Nutzungsänderung ergeben könnte, war es der Abteilung wichtig, dass wir keine grossen, langjährigen Elemente umsetzten, wie beispielsweise Eichen. 

Die Abteilung Unterhalt war auf Anfrage dem Projekt gegenüber zwar positiv eingestellt, hatte leider aber keine freien Kapazitäten für die Umsetzung und Pflege der Oase. Deshalb bin ich auf den Verein Konkret zugegangen. Der Verein arbeitet mit Zivildienstleistenden, ist spezialisiert auf das Thema Biodiversität und ist bereits für Uster im Einsatz – beispielsweise zur Pflege von Naturschutzgebieten oder für das Neophytenmanagement. Es hat sich gelohnt, Profis ins Boot zu holen. Hätten wir die Oase intern umgesetzt, hätte das viel mehr Ressourcen benötigt, auch meinerseits – etwa für die fachliche Begleitung. Ich konnte mich auf etwas anderes konzentrieren und wusste, das wird eine gelungene Sache. Bei Gartenunternehmen fehlt oft das Verständnis für die Biodiversität, sie wollen sozusagen saubere Ergebnisse erzielen. 

Wie gestaltete sich dann die Umsetzung?

Ich habe dem Verein Konkret die Fläche und meine Ideen überlassen und sie konnten sich dann ziemlich frei verwirklichen. Wir haben gemeinsam einen Plan entwickelt, sie haben die Umsetzung angepackt. Im Herbst 2020 haben die Arbeiten bereits angefangen. Der Verein hat die Wiese abgetragen, den Boden für die Folgearbeiten vorbereitet und das Pflanzmaterial organisiert. Im März 2021 wurden alle Stauden gesetzt, die Strukturelemente erstellt und die Magerwiesen angesät. Das Holz für die Totholzstrukturen stammt aus dem Ustermer Wald, die hat der Förster geliefert. Die Kosten für die Erstellung beliefen sich auf knapp 10'000 Franken, die ich von meinem laufenden Budget decken konnte – die Anschubfinanzierung von Pusch leistete ebenfalls einen Beitrag.

Wie sieht es mit der Pflege aus?

 Für die Pflege der Oase, was an Jäten, Säuberungsschnitten und so weiter nötig ist, habe ich ebenfalls den Verein Konkret engagiert. Der Aufwand für den Pflegeauftrag beläuft sich für drei Jahre nochmals auf rund 3000 Franken. Ist die Oase einmal gut etabliert, bleibt unser Aufwand mit der Fläche – abgesehen vom Initialaufwand für die Erstellung – damit in etwa gleich, wie vor der Umgestaltung. Wenn dann später Mitarbeitende der Abteilung Unterhalt wieder übernehmen, führt sie der Verein Konkret in die Arbeiten ein. Das Unterhaltsteam ist schon versiert und sieht auch den Nutzen von Biodiversitätsfördermassnahmen. Neue Ideen kommen zwar nicht immer auf Anhieb gut an, aber die Mitarbeitenden sind dann oft selber richtig stolz auf «ihre» Flächen. Sind sie erst einmal vertraut mit den Arbeiten und gibt es positives Feedback aus der Bevölkerung, dann freut sie das sehr.

Stimmen für Sie Aufwand und Ertrag bei dem Projekt?

Absolut. Es hört sich nicht nach viel an, aber es sind doch immerhin 800 Quadratmeter, die wir für die Natur aufwerten konnten. Es braucht jetzt sicher noch etwas Geduld, bis die Oase richtig schön erblüht, aber es hat sich gelohnt.

Gibt es denn schon Feedback aus der Bevölkerung zur Oase?

Während der Arbeiten haben sich viele Leute dafür interessiert, was hier entsteht – das meldete auch der Verein Konkret nach den Arbeiten vor Ort. Eine Infotafel machte auf das Entstehen der Naturoase aufmerksam und die Pläne kamen gut an. Das Projekt wurde auch im Biodiversitäts-Dossier auf der Website der Stadt vorgestellt. Man spürt allgemein, dass die Artenvielfalt in der Gesellschaft immer stärker zum Thema wird. Viele Leute wollen beispielsweise wissen, warum wir so mähen, wie wir mähen. Und wenn die Stauden in den Baumgruben in Uster blühen, gibt es immer wieder Mails mit positivem Feedback.

Was gefällt Ihnen besonders an der Naturoase, Herr Jucker?

Besonders gefällt mir, wie wir das Ganze umgesetzt haben. Dabei war viel Opportunismus im Spiel und es gab keine grossen Analaysen und theoretischen Arbeiten im stillen Kämmerlein. Ich finde es oft befriedigender, draussen pragmatisch etwas Konkretes anzupacken, als stundenlang Biodiversitätsförderung konzeptionell festzuhalten. Wenn sich irgendwo eine Chance ergibt, dann muss man sie nutzen – auch ohne Ziel- und Leitartenkonzepte. Man kann viel Geld in tolle, aufwendige Pläne investieren, die die ganze Stadt umfassen. Und am Schluss kann man geplante Korridore gar nicht umsetzen, weil sich die Orte aus anderen Gründen nicht eignen. Natürlich haben Konzepte und Leitbilder auch ihren Wert, aber «Einfach machen!» ist für mich manchmal die zielführendere Devise. Die Naturoase war ein kleines, aber sehr effizient umgesetztes Projekt, das viel Freude macht. Da sieht man: Es geht etwas – eine gepackte Chance.

Das Interview ist im «Thema Umwelt» 4/2021 erschienen.


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