Thun unterstützt Klimaprojekte aus der Bevölkerung

Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe – das zeigt Thun mit dem Projekt Klima-Idee. Mit einem partizipativen Budget von 60‘000 Franken hat die Stadt privates Engagement für das Klima unterstützt. Der Klima-Idee-Projektleiter spricht über die Erfahrungen mit dieser Form der Partizipation und verrät die wichtigsten Erfolgsfaktoren.
Klimaschutz ist Teamsport» – in ihrer Kampagne «Klima Thun 2050» setzt die Stadt Thun auf kreative Slogans und ein Gemeinschaftsgefühl. Partizipation ist dabei nicht nur ein Modewort: Die Thuner Klimastrategie ist partizipativ entstanden. «Es war uns von Anfang an ein Anliegen, eine tragfähige Klimastrategie zu entwickeln», betont Claudio Kummli, Projektleiter Umwelt Energie Mobilität bei der Stadt Thun. «Und das heisst, dass wir sie nicht im stillen Kämmerlein ausarbeiten, sondern die Bevölkerung einbeziehen und diese gemeinsam erarbeiten.» Das habe die Akzeptanz der gesamten Strategie erhöht.
Ein «Produkt» der Klimastrategie ist das Partizipationsprojekt «Klima-Idee Thun», in dem Einwohner:innen Klimaprojekte vorgeschlagen und mit Hilfe eines partizipativen Budgets umgesetzt haben. Insgesamt 60'000 Franken hat die Stadt für diese Klimaprojekte aus der Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Thun hat dabei bewusst die Rolle der Unterstützerin und nicht der Umsetzerin eingenommen. Das Ziel: Das Engagement der Einwohner:innen und lokaler Organisationen für den Klimaschutz zu fördern.
Wie ist die Klima-Idee Thun entstanden?
Claudio Kummli, der städtische Projektleiter der Klima-Idee, erinnert sich an die Anfänge des Projekts: «Wir haben aus anderen Städten von partizipativen Budgetprozessen gehört, haben diese genauer angeschaut und fanden das Vorgehen grundsätzlich spannend.» So entschied sich die Stadt dafür, Klimaprojekten aus der Bevölkerung mit finanzieller Unterstützung Schub zu verleihen.

«Ganz nach dem Motto: Sei Teil der Lösung, nicht des Problems.»
– Claudio Kummli, Projektleiter, Fachstelle Umwelt Energie Mobilität, Stadt Thun
Ein wichtiger Aspekt des Projekts: Die privaten Ideengeber:innen sind für die Umsetzung ihrer Klimaprojekte selbst verantwortlich. «Und so ging es in einem ersten Schritt darum, die Bevölkerung zu aktivieren und Vorschläge für Klimaprojekte zu sammeln. Ganz nach dem Motto: Sei Teil der Lösung, nicht Teil des Problems.»
Phase 1: Aktivierung
Nach einer Stakeholder-Analyse kontaktierte Claudio Kummli im Jahr 2023 zusammen mit dem Verein Urban Equipe die wichtigsten Akteur:innen per E-Mail. «Wir planten sehr genau, wer mit wem in Kontakt tritt», erinnert sich der Projektleiter. Daneben rief die Stadt die breite Öffentlichkeit über klassische und soziale Medien zur Teilnahme auf. Wer eine Idee für ein Klimaprojekt hatte, konnte diese auf der Plattform deinklima.ch einreichen.
Wie ist die Klima-Idee Thun eingebettet?
Die Thuner Klimastrategie besteht aus zwei Teilen:
Die Roadmap ist das strategische Grundlagenpapier, das unter anderem klimapolitische Ziele, Absenkpfade und Zwischenziele für die Stadt beinhaltet.
Der periodische Aktionsplan gilt jeweils für vier Jahre und enthält konkrete Massnahmen. Der erste Aktionsplan gilt seit der Genehmigung der Strategie im Jahr 2023 und umfasst 15 Massnahmen für die Jahre 2023 bis 2026.
Smarte Projekte
3 der 15 Massnahmen des Aktionsplans sind als sogenannte smarte Umsetzungsprojekte definiert. Mit der Unterstützung von EnergieSchweiz für Gemeinden (Frontrunner-Auszeichnung) und weiteren Partner:innen erarbeitete die Stadt drei innovative Partizipationsprojekte:
Reallabor (siehe Interview «Partizipation führt zu mehr Akzeptanz und Engagement»)
Klima-Idee
Clusteranalyse Heizungsersatz
Phase 2: Konkretisierung
Insgesamt wurden 36 Projektideen eingegeben. Diese mussten in einem ersten Schritt geprüft und geschärft werden. «Hier war Urban Equipe sehr engagiert. Der Verein hat mit den Ideengebenden die Projekte geschärft, hat ihnen Coachings angeboten und Know-how zu partizipativen Budgets zur Verfügung gestellt», berichtet Kummli. Urban Equipe sei das Bindeglied zwischen den Ideengebenden und der Fachstelle Umwelt Energie Mobilität der Stadt gewesen.
Innerhalb der Verwaltung hat Kummli eine städtische Begleitgruppe aufgebaut, die in dieser Projektphase kritische Fragen diskutiert und Online-Konsultationen angeboten hat. «Im Rathaus haben wir zudem einen sogenannten Marktplatz durchgeführt, bei denen sich die Ideengebenden und die städtische Begleitgruppe kennenlernen und Fragen klären konnten.»
Phase 3: Vorauswahl
Durch das zwar aufwendige, aber wichtige Prüfen und Schärfen der Projekte in der zweiten Phase fielen einige Ideen bereits aus dem Rennen: «Gewisse Projektideen waren so nahe beieinander, dass wir sie zusammenlegen konnten. Andere eigneten sich leider nicht für einen solchen privaten Umsetzungsrahmen, zum Beispiel weil politische Entscheide dafür nötig gewesen wären.» Projekte, die die Ideengebenden allein nicht hätten umsetzen können, kamen so gar nicht erst in die Abstimmungsphase.
Hier sei die transparente Kommunikation essenziell gewesen, betont Kummli. «Man muss den Leuten reinen Wein einschenken. Das ist das A und O in diesem Prozess.» So sei es gelungen, die Projekte zu schärfen, anzupassen und in einigen Fällen eben auch zu streichen.
Phase 4: Voting
11 Projektideen schafften es am Ende in die öffentliche Abstimmung. Dafür mussten die Ideengeber:innen ihre Klima-Ideen bekannt machen und für sie werben. Von der Stadt erhielten sie Unterstützung, zum Beispiel mittels Kommunikationsmaterial.
Das Online-Voting fand schliesslich Anfang 2024 – wiederum auf der Plattform deinklima.ch – statt. Während eines Monats konnte die Öffentlichkeit über die Klimaprojekte abstimmen und das partizipative Budget von knapp 60'000 Franken verteilen.
Gewonnen haben vier Projekte:
Klima-Workshops für Kinder (12'925 Franken)
Sichtbarkeit Leihbar Thun (12'000 Franken)
Foodsave Bankett 2024 in der Innenstadt (15'000 Franken)
Gartenstadt Thun (20'000 Franken)
Phase 5: Umsetzung
Die vier Siegerprojekte starteten im April 2024 mit der Umsetzung. «Wir haben mit den Ideengebenden zu Beginn das Budget besprochen und geschärft. Anschliessend waren sie frei, wie sie die Gelder einsetzen.» Die Umsetzungsphase endet nun im Frühjahr 2025.

Das Foodsave Bankett in der Innenstadt von Thun. Bild: Michael Koster
Phase 6: Abschluss und Beurteilung
Die Schlussbeurteilung der Projekte und das offizielle Fazit der Stadt Thun stehen noch aus. Ebenso ist noch offen, ob es eine Fortsetzung der Klima-Idee Thun geben wird. «Was wir aber schon jetzt sagen können: Die Klima-Workshops für Kids waren ein voller Erfolg.» Die übrigen Beurteilungen auf Projektebene erfolgen nach dem offiziellen Projektabschluss.
Unabhängig von den einzelnen Erfolgen zeigt sich Kummli aber erfreut über den Projektverlauf: «Durch das partizipative Budget sind Ideen erlebbar geworden, die sonst wohl nie umgesetzt worden wären. Oder zumindest nicht mit derselben Aufmerksamkeit. Das ist für uns zentral», betont Kummli.
Klimaprojekte mit Vorbildwirkung
Die Stadt verbreitet die umgesetzten Klima-Ideen auch über die Kommunikationskampagne und Plattform «Klima Thun 2050». «Wir möchten auf positive Art und Weise aufzeigen, was die Umsetzenden geschafft haben… und eine sensibilisierende Wirkung erzielen.»
Doch nicht nur die umgesetzten Projektideen hätten eine Wirkung, sondern auch das Projekt als Ganzes, betont Kummli. Und zwar eine sehr erfreuliche: «Das Projekt war in den Medien präsent und hat auch innerhalb der Verwaltung angeregte Diskussionen ausgelöst. Deshalb halte ich es bereits jetzt für gelungen.» Die Klima-Idee Thun habe dazu beigetragen, auf das Engagement der Stadt und vor allem auch auf die Kampagne «Klima Thun 2050» aufmerksam zu machen.
Thun als Ermöglicherin
Mit der Klima-Idee hat die Stadt die Rolle einer «Enablerin» übernommen. Sie hat keine eigenen Projektideen umgesetzt, sondern das Konzept eines partizipativen Budgets genutzt, um das Engagement der Bevölkerung mit Ressourcen, Know-how und Hilfsmitteln zu unterstützen.
Das soll aber die städtischen Klimaschutz-Aktivitäten nicht ersetzen. «Wichtig ist, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen», so Kummli. Thun setzt eigene Projekte um, legt aber gleichzeitig ein Augenmerk auf die Sensibilisierung und Aktivierung. «Es liegt in unserer Verantwortung, ein Momentum für einen gesellschaftlichen Wandel zu schaffen.»
«Wir müssen Klimaschutz nicht allein betreiben. Wir müssen unsere Einwohner:innen ins Boot holen.»
– Claudio Kummli
Nach seinen Erfahrungen mit der Klima-Idee Thun würde Kummli allen Gemeinden und Städten empfehlen, Erfahrungen mit partizipativen Budgets zu sammeln. So werde die Gemeinde zur Katalysatorin. «Wir müssen nicht immer alles alleine umsetzen, sondern unsere Einwohner:innen ins Boot holen. Denn Klimaschutz ist Teamsport.»
Erfolgsfaktoren in Thun
Stakeholder-Analyse zu Beginn des Projekts: Es gibt in jeder Gemeinde Stakeholder, die mitwirken können und wollen. Das Projektteam in Thun hat sich deshalb zunächst einmal gefragt: Wer sind die Stakeholder? Wie kontaktieren wir sie? Und mit welchen Botschaften?
Kommunikationshilfe: Indem die Stadt die Ideengeber:innen bei der Verbreitung ihrer Klima-Ideen unterstützt hat, konnten diese mehr Menschen mit ihren Ideen erreichen und als Vorbilder auftreten.
Coaching: Die Stadt hat sich in diesem partizipativen Prozess Know-how und Unterstützung bei externen Unternehmen gesucht.
Fördergelder: Die knapp 60'000 Franken, mit denen die Stadt die Klima-Ideen unterstützte, kamen nicht aus der städtischen Kasse. «Durch die finanzielle Unterstützung, die wir von EnergieSchweiz für Gemeinden und der Wyss Academy erhalten haben, konnten wir das partizipative Budget testen und Erfahrungen sammeln.» Es lohnt sich, frühzeitig Förderprogramme zu prüfen.
Breite Kommunikation und Sensibilisierung: Thun kommunizierte regelmässig auf allen verfügbaren Kanälen über das Projekt. «Die entstandenen Ideen und Projekte sind eine Chance, um andere zu inspirieren. Deshalb ist es wichtig, immer wieder über sie zu berichten», betont Projektleiter Kummli. Im Idealfall könne man sogar dazu einladen, umgesetzte Projekte zu besichtigen. Dass die Klima-Ideen parallel zur laufenden Kampagne «Klima Thun 2050» umgesetzt wurden, ist für ihn ein weiterer Erfolgsfaktor.
Ergebnisoffenheit: «Es ist zentral, ergebnisoffen an solche Innovationsprozesse heranzugehen.» Auch wenn das gerade in einer Verwaltung nicht immer leicht sei.
Titelbild: OHNI THUN