Klimapsychologie: Die Kraft des «Wir» für eine nachhaltige Zukunft

Die Klimakrise erfordert kollektives Handeln – nicht nur global, sondern gerade auch lokal. Hier sind Gemeinden gefordert, ihre Einwohner:innen für den Klimaschutz zu mobilisieren. Doch wie entsteht kollektives Engagement? Und was können Gemeinden konkret tun? Die Klimapsychologie liefert praktische Tipps.
Für nachhaltige Veränderung braucht es nicht nur individuelle Bemühungen, sondern auch kollektives Handeln. Gemeinden können dazu einen bedeutenden Beitrag leisten, indem sie mit gezielten Initiativen und Massnahmen ihre Einwohner:innen für den Klimaschutz mobilisieren.
Aus psychologischer Sicht sind zwei Aspekte entscheidend, damit dies gelingt:
Soziale Identifikation
Wirksamkeitsüberzeugung
Soziale Identifikation: Gemeinsamkeiten schaffen
Soziale Identifikation beschreibt das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Sie entsteht, wenn Menschen Gemeinsamkeiten mit anderen wahrnehmen und sich mit ihnen verbunden fühlen. Beispielsweise geteilte Werte, ähnliche Erfahrungen oder ein gemeinsames Schicksal fördern dieses Gefühl.
Gemeinden und Gemeinschaften spielen eine Schlüsselrolle im gesellschaftlichen Wandel.
Wie entsteht soziale Identifikation in der Gemeinde?
In Gemeinden könnte das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe von klimaengagierten Menschen durch die gemeinsame Sorge um Grünflächen oder den Schutz eines nahen Flusses entstehen. In diesem Beispiel verbindet das Bewusstsein für die bedrohten lokalen Ökosysteme die Anwohner:innen und stärkt so ihre Identifikation als Umweltschützer:innen ihrer Gemeinde. Solche gemeinsamen Anliegen schaffen ein «Wir-Gefühl», das die Basis für gemeinschaftliches Handeln bildet.
Ein entscheidender Faktor hierbei ist die geltende soziale Norm. Um Menschen für Umweltschutz zu motivieren, müssen sie erkennen, dass der Schutz der Umwelt beziehungsweise des Klimas ein wichtiges Anliegen der Gruppe ist (siehe auch Beitrag «Vom Wissen zum Handeln – wie Verhaltensänderung gelingt»).
Unterschiede in den Bevölkerungsgruppen
Eine besondere Herausforderung ist es, Menschen aus unterschiedlichen demografischen, sozialen und kulturellen Kontexten einzubinden. Um Klimathemen in verschiedene soziale Gruppen einzubringen, sollte die Vielfalt an klimaengagierten Menschen betont werden und Stereotype gegenüber Klimagruppen abgebaut werden.
Dabei helfen zum Beispiel Vorbilder aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, die als Sprecher:innen in bestimmten Umweltthemen auftreten. Das könnte eine Trainerin sein, die sich nicht nur für den Sport, sondern auch für das Energiesparen im Vereinsgebäude einsetzt. Oder ein Stadtpräsident, der die Bedeutung von Umweltschutz aus Sicht der Gemeinde thematisiert. Vielfältige Vertreter:innen sind essenziell, um die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen.
Wirksamkeitsüberzeugung: Der Glaube an die gemeinsame Wirksamkeit
Eine weitere wichtige Säule des Wandels ist die sogenannte Wirksamkeitsüberzeugung. Sie beschreibt, wie stark Menschen daran glauben, dass ihr Handeln – individuell oder gemeinsam – etwas bewirken kann.
Zu unterscheiden sind zwei Dimensionen der Wirksamkeitsüberzeugung:
Kollektive Wirksamkeit: Der Glaube, dass die Gemeinschaft als Ganzes ihre Ziele erreichen kann.
Individuelle Wirksamkeit: Das Vertrauen, dass der eigene Beitrag innerhalb der Gruppe zählt.
Die Wirksamkeitsüberzeugung ist essenziell, weil sie Menschen motiviert, aktiv zu werden und langfristig engagiert zu bleiben. Der Glaube daran, dass eigenes Handeln – allein oder in der Gemeinschaft – einen Unterschied macht, fördert Resilienz gegenüber Rückschlägen und stärkt den Zusammenhalt.
Ohne diese Überzeugung drohen Passivität und Resignation. Die Wirksamkeitsüberzeugung ist also sehr wichtig, um grosse Herausforderungen wie den Klimaschutz oder den Erhalt der Biodiversität erfolgreich anzugehen und nachhaltigen Wandel zu ermöglichen.
Langfristige Ziele schaffen eine gemeinsame Vision und helfen, die Motivation der Beteiligten aufrechtzuerhalten.
Rückschläge verkraften, Fortschritte feiern
Gleichzeitig ist es für Gemeinschaften entscheidend, realistisch mit Rückschlägen umzugehen. Besteht die Erwartung, dass Veränderungen nur durch schnelle Erfolge erzielt werden können, sind Enttäuschung und Frustration vorprogrammiert. Daher ist es wichtig, auch kleinere Fortschritte – wie die erfolgreiche Durchführung eines lokalen Projekts oder das Erreichen von Teilzielen – bewusst anzuerkennen und zu feiern.
Ebenso müssen langfristige Ziele klar definiert und vor allem auch kommuniziert werden. Das schafft eine gemeinsame Vision und hilft, die Motivation der Beteiligten auch über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten.
Fazit: Gemeinden als Treiber für Wandel
Gemeinden und Gemeinschaften spielen eine Schlüsselrolle im gesellschaftlichen Wandel. Wenn es gelingt, die soziale Identifikation und die Wirksamkeitsüberzeugung sowohl von Einzelpersonen als auch von Gruppen zu stärken, können sie zu treibenden Kräften positiver Veränderungen werden. Folgende Ansätze unterstützen dabei:
Gemeinsamkeiten betonen: Projekte sollten Werte und Ziele hervorheben, welche die Gemeinschaft verbindet. Lokale Herausforderungen bieten einen idealen Rahmen, um Menschen für gemeinsame Ziele zu gewinnen.
Vielfalt fördern: Kommunikator:innen mit unterschiedlichen Hintergründen und breit aufgestellte Massnahmen können helfen, Menschen aus verschiedensten Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Dafür eignen sich zum Beispiel kulturelle Aktivitäten oder Bildungsangebote, von Filmabenden bis zu gemeinsamen Gartenaktionen.
Erfolge sichtbar machen: Auch kleine Erfolge stärken das Vertrauen in die Wirksamkeit. Regelmässige Informationen über die Fortschritte bei einem lokalen Solarprojekt oder der Renaturierung eines Bachlaufs können die Motivation von Menschen in der Gemeinde fördern.
Langfristigkeit betonen: Die sozial-ökologische Transformation erfordert Geduld. Die Darstellung von Einzel-Massnahmen als Teil eines langfristigen Engagements hilft dabei, Resilienz gegenüber Rückschlägen zu schaffen. Das kann beispielsweise über die Einrichtung eines mehrjährigen Bürger:innenbudgets für unterschiedliche Klimaschutzprojekte geschehen.