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Beschaffung
Praxisbeispiel

Emissionen reduzieren: Thermoplan holt Lieferant:innen ins Boot

Sonja Plüss
In der Produktion werden Bestandteile einer Kaffeemaschine zusammengesetzt. Zwei Mitarbeitende arbeiten am Fliessband.

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5 Minuten Lesezeit

Beschaffung

Praxisbeispiel

Der Kaffeemaschinen-Hersteller Thermoplan hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 Netto-Null für seine gesamte Wertschöpfungskette zu erreichen – und zwar gemeinsam mit den Zuliefernden. Das Beispiel zeigt: Die Zusammenarbeit und der Datenaustausch sind eine Win-win-Situation.

Unternehmerische Emissionen konstant zu reduzieren, ist eine wichtige Aufgabe. Ein Unternehmen hin zu Netto-Null zu führen, eine Herausforderung – und nur in Zusammenarbeit mit den Lieferant:innen möglich. Thermoplan hat sich selbst klare Ziele zur Reduktion seiner Treibhausgasemissionen gesetzt.

Beschaffung als wirksamer Hebel

Um den ökologischen Fussabdruck von Produkten so transparent und genau wie möglich darzustellen, sind umfassende Daten nötig. Nur durch diese Transparenz lassen sich die wirksamsten Hebel zur Reduktion von Emissionen identifizieren. Das Nachhaltigkeitsteam von Thermoplan arbeitet deshalb eng mit dem strategischen Einkauf zusammen.

Der erste Schritt besteht aus einer umfassenden Datenerhebung. Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, werden alle drei Scope-Kategorien abgedeckt (siehe Box). Besonders die Emissionsreduktion in der Kategorie Scope 3, die die indirekten Emissionen entlang der Lieferkette umfasst, erfordert einen kontinuierlichen Austausch mit den Lieferant:innen. Die erfassten Emissionsdaten bilden die Grundlage, um konkrete CO₂-Reduktionsziele zu formulieren – und zwar gemeinsam.

Scope 1-3 einfach erklärt

Scope 1: Emissionen direkt vom Unternehmen

Das sind alle Treibhausgasemissionen, die direkt vom Unternehmen selbst verursacht werden. Zum Beispiel, wenn ein Unternehmen eigene Fahrzeuge, Produktionen oder Fabriken hat, die Benzin, Diesel oder Gas verbrauchen und dabei CO₂ ausstossen. Das sind direkte Emissionen.

Scope 2: Emissionen durch eingekaufte Energie

Hier geht es um die Umweltbelastung durch Treibhausgase, die entstehen, wenn das Unternehmen Strom, Wärme oder Kühlung einkauft. Diese Emissionen kommen zwar nicht direkt vom Unternehmen, aber von den Kraftwerken, die den Strom oder die Wärme produzieren.

Scope 3: Emissionen entlang der gesamten Lieferkette

Das sind die Emissionen, die indirekt durch die Aktivitäten des Unternehmens entstehen, aber nicht direkt unter seiner Kontrolle sind. Zum Beispiel:

  • Eingekaufte Produkte von Zuliefernden, die bei der Herstellung Emissionen verursachen.

  • Produktnutzung von Kund:innen

  • Emissionen, die entstehen, wenn Produkte am Ende entsorgt werden.

Vom Excel zum eigenen Datentool

Thermoplan hat die Evaluierung seiner Treibhausgase zunächst in Excel gestartet. Durch die Komplexität der Datenerhebung hat sich das Unternehmen schliesslich entschieden, ein eigenes Tool zu programmieren. Es ermöglicht das agile und massgeschneiderte Datenmanagement und den Aufbau einer soliden Datengrundlage. Daraus kann nun ein Product Environmental Report gezogen werden – eine umfassende, auf der Website öffentlich einsehbare Lebenszyklus-Darstellung der Treibhausgasemissionen jedes Kaffeeautomaten. «Diese Transparenz wird von den Kund:innen sehr geschätzt und rechtfertigt den Aufwand», erklärt Björn Jung vom Nachhaltigkeitsteam.

Produkt-Ökobilanz als Basis für die Zusammenarbeit

Anfänglich wurden die Emissionen der beschafften Produkte mithilfe einer Ökobilanz ermittelt, die auf Daten der Schweizer Ökobilanzdatenbank Ecoinvent basiert. Die Ergebnisse wurden den Zuliefernden präsentiert und durch einen Vergleich ihrer jeweiligen Werte mit denen anderer Thermoplan-Lieferant:innen ergänzt. Ziel war es, den Stellenwert des Themas zu verdeutlichen und den Dialog mit den Lieferant:innen anzustossen: Gab es Ansätze, wie die CO₂-Bilanz der Produkte verbessert werden kann? Gab es bereits emissionsärmere Alternativen, die Thermoplan wählen könnte? Die Resonanz war meist positiv. Um jedoch präzisere Berechnungen durchführen zu können und schliesslich konkretere Ziele zu definieren, ist Thermoplan nach wie vor auf die Daten der Lieferant:innen aus erster Hand angewiesen.

Der Weg zu Netto-Null geht nur über Kooperation, Transparenz und Datenaustausch.

Mit den motivierten Partner:innen in die Zukunft

In den letzten Jahren hat Thermoplan die Nachhaltigkeitskriterien stärker in die regelmässige Befragung ihrer zuliefernden Unternehmen integriert. Dabei stellte sich heraus, dass nur die wenigsten direkten Lieferant:innen bereits vollständige CO₂-Berechnungen für ihre gesamte Wertschöpfungskette, also bis hin zu Sope 3, vorgenommen haben. Rund die Hälfte der Zuliefernden hat jedoch bereits Daten zu Scope 1 und 2 erhoben. Bei dieser Kategorie setzt Thermoplan an. Björn Jung präzisiert: «Wir möchten in einem ersten Schritt die engagierten und motivierten Unternehmen dabei unterstützen, ihre Datenerhebung auf den Scope 3 auszuweiten.»

Diagramm, dass den aktullen Stand zur Erfassung der Emissionsdaten von Lieferanten vergleicht.

Resultate der Thermoplan-Befragung der Lieferant:innen zur Erfassung der Emissionsdaten (Daten: Thermoplan).

Die partnerschaftliche Kommunikation und das Teilen eigener Erfahrungen mit den Zuliefernden zahlen sich aus. Zuliefernde können zunehmend CO₂-Daten liefern, darunter auch KMU. Die Entwicklungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen rund um Transparenz und Sorgfaltspflichten in den Lieferketten würden dabei auch helfen, meint Björn Jung (siehe Beitrag «Die Spielregeln des Wettbewerbs werden neu definiert»). Die zukünftige Herausforderung bestehe jedoch darin, auch jene Partner:innen zu erreichen oder mitzunehmen, die keine Rückmeldung gegeben oder bisher keine nachhaltigen Optimierungen zu ihren Produkten angestrebt hätten.

Expertise und Transparenz von Anfang an mitgedacht

Für den Aufbau des Datenmanagements und die Erstellung der Produkt-Ökobilanzen hat Thermoplan externe Unterstützung durch ein Beratungsunternehmen in Anspruch genommen. Björn Jung empfiehlt diesen Ansatz: «Allein schon die gelegentliche Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind, war äusserst hilfreich.» Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Fokussierung auf kontinuierliche Verbesserung anstelle von starren Benchmarks oder Zertifikaten. Dies stärke die Partnerschaften mit den zuliefernden Unternehmen und fördere das gemeinsame Voranschreiten zur Erreichung von netto null Emissionen. Aufbauend auf den Erfahrungen rund um die Datenerhebung plant Thermoplan nun, gemeinsam mit fortgeschrittenen Partner:innen Reduktionsziele zu definieren. Denn dieses Beispiel zeigt: Der Weg zu Netto-Null geht nur über Kooperation, Transparenz und Datenaustausch.

In einem Ausstellungsraum steht die erste zirkulare Kaffeemaschine. Ihr Innenleben und ihre Bestandteile sind ohne Abdeckung dargestellt.

Der Austausch mit den Lieferant:innen hilft dabei, die Ökobilanz der Maschinen-Bestandteile zu verbessern. Bild: Thermoplan

Titelbild: Thermoplan


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