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Mehr Nachhaltigkeit in der Gemeinde – auf Kurs mit diesen Tools

Jennifer Zimmermann
Eine Person hält ein Dokument mit Grafiken der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der UNO in der Hand.

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7 Minuten Lesezeit

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Um die Ziele der Agenda 2030 zu erreichen, müssen alle ihren Beitrag leisten. Der Handlungsbedarf ist insbesondere in den Bereichen Konsum und Produktion, Klima, Energie und Biodiversität gross. Verschiedene Instrumente helfen Gemeinden dabei, ihre Stärken und Schwächen innerhalb der Nachhaltigkeitsdimensionen zu analysieren und ihr Handeln gezielt auf die Agenda 2030 auszurichten. Ein Überblick.

Nachhaltigkeitsziele gewinnen auf Gemeindeebene an Bedeutung. Beim Erarbeiten dieser Ziele können die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Agenda 2030 und ihre 169 Unterziele einen wichtigen Referenzrahmen bieten. Manche Kantone und Gemeinden, wie zum Beispiel der Kanton Wallis oder die Stadt Yverdon-les-Bains (VD), haben bereits übergeordnete Strategien, Leitbilder und Richtlinien zur Umsetzung der Agenda 2030 beschlossen. Andere betrachten die 17 Nachhaltigkeitsziele als zentralen Bestandteil der Legislaturplanung, wie der Kanton Tessin oder die Gemeinde Gaiserwald (SG). Wieder andere lassen diese bereits in Gemeindestrategien einfliessen (weitere Beispiele zur Umsetzung in der Toolbox Agenda 2030).  

Nicht immer liegen dabei die richtigen Schwerpunkte und Massnahmen auf der Hand. Verschiedene Instrumente helfen Gemeinden, die eigenen Stärken und Schwächen innerhalb der unterschiedlichen Nachhaltigkeitsdimensionen zu erkennen und daraus die individuellen Handlungsprioritäten abzuleiten.   

Unterstützung bei der Ausrichtung ihrer Politik auf die Ziele der Agenda 2030 erhalten die Gemeinden durch diese Tools: 

Nachhaltige Entwicklung mit dem Gemeindeprofilografen

Der Gemeindeprofilograf ist ein qualitatives, einfach anzuwendendes Instrument zur Standortbestimmung von Gemeinden aus Sicht der nachhaltigen Entwicklung (NE). Er richtet sich vor allem an Mitglieder des Gemeinderats, welche Nachhaltigkeitsziele dauerhaft in ihrer Gemeindepolitik verankern möchten. So bietet das Instrument Unterstützung bei der Erarbeitung einer kohärenten Gemeindesteuerung bestehend aus einem langfristigen Leitbild, einer Legislaturplanung und einer jährlichen Planung zur Umsetzung operativer Massnahmen.  

Zur Anwendung kam der NE-Gemeindeprofilograf in der Gemeinde Wohlen bei Bern mit knapp 9400 Einwohner:innen. Bänz Müller, Wohlens Gemeindepräsident, berichtet: «Wir haben das Tool zur Analyse der Ist-Situation verwendet. Diese Analyse brauchen wir, um strategisch zu entscheiden, welche Massnahmen wir angehen.» Der Gemeinderat erstelle dazu derzeit einen Massnahmenplan.  

Bänz Müller, Gemeindepräsident, Wohlen bei Bern

«Wir hantieren nun nicht mehr mit Annahmen und Vermutungen, sondern haben eine faktenbasierte Grundlage.»

Bänz Müller, Gemeindepräsident, Wohlen bei Bern

Ausgehend von einer Lagebeurteilung, die auch den Bezug zu den Zielen der Agenda 2030 herstellt, unterstützt der Gemeindeprofilograf die Mitglieder des Gemeinderats bei der Definition von Stärken und Schwächen und bei der Priorisierung der aus ihrer Sicht relevanten Handlungsfelder. Auf der Basis eines Excel-Dokuments nehmen alle relevanten Personen in der Gemeinde zuerst individuell anhand von 125 Indikatoren eine Selbstbeurteilung ihrer Gemeinde vor und besprechen diese anschliessend im Team. Das fördert die Diskussion der individuellen Einschätzungen und ermöglicht ein gemeinsames Verständnis der Stärken, Schwächen und Handlungsfelder jenseits von Ressortdenken.  

«Der Prozess mit dem Gemeindeprofilografen hat einerseits die verschiedensten Stakeholder zusammengeführt und andererseits interessante Erkenntnisse ans Licht gebracht», betont Bänz Müller. Die Resultate hätten zwar viele bereits bestehende Vermutungen bestätigt. Nun hantiere man aber nicht mehr mit Annahmen und Vermutungen, sondern habe eine faktenbasierte Grundlage. «Natürlich gab es da auch die eine oder andere Überraschung. Zum Beispiel: Im Bereich 5, Gleichstellung der Geschlechter, schliessen wir überraschend tief ab.» 

Weitere Informationen zum Gemeindeprofilografen

Der NE-Gemeindeprofilograf wurde vom Kanton Bern erarbeitet. Das Excel-Dokument, das als Basis für die Beurteilung dient, kann beim Kanton Bern kostenlos bezogen werden. Der Gemeindeprofilograf kam bereits mehr als hundertmal in Schweizer Gemeinden und im näheren Ausland zur Anwendung. 

Ansprechpersonen:

  • Für interessierte Gemeinden: Tobias Andres, Amt für Umwelt und Energie, Kanton Bern

  • Für Auskünfte zur Anwendung des Gemeindeprofilografen: Bänz Müller, Gemeindepräsident, Wohlen bei Bern (BE)

Ein Rundumblick mit dem 360°-Scan

Der 360°-Scan besteht aus einer Analyse auf Basis von öffentlich zugänglichen Daten und einer Online-Umfrage. Diese Kombination einer neutralen Datenanalyse mit einer Einschätzung von relevanten Schlüsselpersonen oder gar der gesamten Gemeindebevölkerung ermöglicht es einer Gemeinde, relevante Themen für die Entwicklung zu identifizieren. Konkret werden in der Analyse 22 Themen aus den Bereichen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft anhand von rund 54 Indikatoren und 50 Fragen mit einem Wert zwischen 1 und 10 bewertet.

Diese Resultate dienen als Basis für einen moderierten Workshop, bei welchem die Ergebnisse reflektiert, der grösste Handlungsbedarf identifiziert und entsprechende Schwerpunkte definiert werden. Auf der Grundlage dieses Ergebnisses kann eine Gemeinde, je nach ihren Bedürfnissen, in einem anschliessenden Prozess ein Leitbild und/oder eine Strategie erarbeiten, Legislaturziele definieren oder partizipativ Projektideen entwickeln und umsetzen. Der 360°-Scan setzt auf eine Kombination der Innen- und Aussensicht und auf externe Begleitung. Er ermöglicht die Abstimmung auf die individuellen Bedürfnisse einer Gemeinde.  

Die Solothurner Gemeinde Matzendorf hat mit dem 360°-Scan einen umfangreichen Blick auf die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten geworfen. Die Analyse kam im Rahmen des Projekts «Zukunft Matzendorf», das die Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Kanton Solothurn durchführte, zum Einsatz.  

Marcel Allemann, Gemeindepräsident, Matzendorf

«Ich habe das Miteinander von Gemeinde, Bevölkerung, Kanton und Beratungsbüro in diesem wichtigen Entwicklungsschritt geschätzt.»

Marcel Allemann, Gemeindepräsident, Matzendorf

Die Ergebnisse des Scans dienten als Grundlage für die Dorfentwicklung in allen möglichen Lebensbereichen. Marcel Allemann, Gemeindepräsident von Matzendorf, blickt positiv auf den Prozess zurück: «Der 360°-Blick war sehr wertvoll. Wenn man mittendrin steckt, sieht man einfach nicht mehr alle Möglichkeiten.» Mit der Analyse sei alles beleuchtet worden, von der Zufriedenheit der Einwohner:innen, über die bauliche Verdichtung, den Umweltschutz, die Entwicklungsmöglichkeiten der lokalen Vereine bis hin zum Gemeinderat und den politischen Gremien. Allemann ist überzeugt, dass die externe Unterstützung eine entscheidende Rolle dabei spielte, und schätzte das Miteinander von Gemeinde, Bevölkerung, Kanton und Beratungsbüro in diesem wichtigen Entwicklungsprozess (mehr zum Projekt «Zukunft Matzendorf» im Artikel der Schweizer Gemeinde). 

Weitere Informationen zum 360°-Scan 

Das Projektbüro planval begleitet Gemeinden, die mithilfe des 360°-Scans gezielte Akzente für ihre nachhaltige Entwicklung und Standortattraktivität setzen möchten. Die Anwendung des Scans (Analyse, Umfrage und Workshop) kostet 15'000 Franken.   

Ansprechpersonen: 

Praxisbeispiele und Ideen in der Toolbox Agenda 2030 

Die Toolbox Agenda 2030 inspiriert und unterstützt Gemeinden und Kantone bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen. Nebst Anknüpfungspunkten und Argumenten für ein Engagement umfasst die Wissens- und Umsetzungsplattform eine Vielzahl an erprobten Massnahmen zu Themen wie der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, Energie und Klima, Raumentwicklung und Mobilität oder Produktion und Konsum. Ausserdem macht die Toolbox konkrete Praxisbeispiele aus Gemeinden zugänglich. 

Unter der Rubrik «Wie angehen?» beinhaltet die Toolbox auch Instrumente zur Standortbestimmung, Strategieerarbeitung, Zusammenarbeit, Sensibilisierung oder Motivation der Bevölkerung. Ihre Stärke liegt darin, Handlungshilfen und Inspiration zu vermitteln. Im Unterschied zum Gemeindeprofilografen und zum 360°-Scan ist die Toolbox kein Standortbestimmungsinstrument, sondern eine Sammlung unterschiedlicher Instrumente zur Förderung von Nachhaltigkeit. Sie umfasst bereits über 500 Gemeinde- und Kantonsbeispiele und wird laufend ausgebaut. 

Weitere Informationen zur Toolbox 

Die Toolbox Agenda 2030 wurde vom Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) in Zusammenarbeit mit dem Gemeinde- und dem Städteverband (SGV und SSV) sowie dem Netzwerk der kantonalen Nachhaltigkeitsfachstellen herausgegeben. 

Ansprechperson: Stephan Kägi, Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) 

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