Klimastrategie: Erfolgsgeschichte statt Papiertiger

Eine Klimastrategie gibt jeder Gemeinde die Chance, auf lokaler Ebene einen Beitrag zu einer klimafreundlichen Zukunft zu leisten – mit klaren Zielen, passenden Massnahmen und spürbaren Vorteilen für Bevölkerung und Region. Wir zeigen, wie eine pragmatische Klimastrategie entsteht, die nicht zum Papiertiger wird.
Ob steigende Stromrechnungen, Unsicherheiten bei Öl- und Gasimporten oder Hitzewellen im Sommer – der Klimawandel und die Energiewende sind längst mitten in unserem Alltag angekommen. Gemeinden stehen dabei besonders im Fokus: Sie können als gutes Vorbild vorangehen, die Wertschöpfung in der Region halten und die Lebensqualität für ihre Einwohner:innen verbessern.
Wieso sich eine Klimastrategie immer lohnt
Eine Klimastrategie formt im Idealfall aus guten Absichten konkrete Massnahmen. Dabei stellt sich häufig die Frage, ob das Geld für eine Strategieerarbeitung nicht besser direkt in konkrete Klimaschutz-Massnahmen investiert werden sollte.
Darum lohnt sich eine Klimastrategie trotz der anfänglichen Aufwände – auch für kleine Gemeinden:
Gemeinden sind Schlüsselakteurinnen auf dem Weg zu Netto-Null: Sie besitzen Gebäude, Fahrzeuge, Infrastruktur und können Vorbild für Private und Unternehmen sein.
Legitimation: Eine Strategie gibt Rückhalt, damit Klimaschutzmassnahmen politisch und gesellschaftlich abgestützt sind. Sie legt Ziele fest, priorisiert die wirksamsten Massnahmen und sorgt dafür, dass Beschlüsse nicht ständig neu infrage gestellt werden.
Effizienter Einsatz der Ressourcen: Die Strategie hilft, Klimaziele strukturiert, effizient und vorausschauend zu verfolgen, anstatt ad hoc zu reagieren.
Energiewende von unten: Die Klimastrategie entsteht vor Ort. Die Gemeinde setzt ihre eigenen Prioritäten – mit Rücksicht auf die lokalen Eigenheiten. So werden nicht einfach staatliche Vorgaben übernommen, sondern ein auf die Gemeinde zugeschnittenes, selbstbestimmtes Massnahmenpaket definiert.
Vorhandene Technologien nutzen: Viele Lösungen sind bereits wirtschaftlich attraktiv und praxiserprobt, sodass die Ziele und das Massnahmenpaket auf Erfahrungswerte abgestützt werden können.
Wertschöpfung in der Schweiz halten: Investitionen in erneuerbare Energien stärken lokale Unternehmen und damit die regionale Wirtschaft.
Abhängigkeit von fossilen Energien reduzieren: Wer Öl und Gas importiert, ist abhängig von internationalen Märkten und geopolitischen Krisen. Ein systematischer Entscheid für lokale und erneuerbare Energien in der Klimastrategie stärkt die Versorgungssicherheit und sorgt für weniger Geldabfluss ins Ausland.
Bevölkerung profitiert direkt: Je nach Fokussierung der Klimastrategie profitieren die Einwohner:innen etwa von tieferen Energiekosten, besserer Luftqualität und vor allem einer langfristig höheren Lebensqualität in der Wohngemeinde.
Klimastrategie als Leuchtturm, der Orientierung schafft: Die Strategie bringt Klarheit bei den Klimazielen und beim Weg dorthin. Doch sie gibt auch darüber hinaus Orientierung: Das klar definierte Vorgehen schafft ebenso Planungssicherheit für weitere Bereiche wie Bauwesen und Raumplanung.
Eine Klimastrategie soll lustvoll sein und dazu beitragen, die eigene Gemeinde zu einem gesunden, attraktiven und lebenswerten Ort zu machen, wie diese Vision der Schweiz im Jahr 2050. Bild: Verein Klimaschutz Schweiz
Erfolgsrezept: Strategie muss pragmatisch sein
Die Klimastrategie soll auf keinen Fall zu einem weiteren Papiertiger werden. Damit sie hingegen den Erwartungen gerecht wird und ihre volle Wirkung entfalten kann, muss sie vor allem eines sein: pragmatisch. Kein 50-seitiges Dokument, sondern eine schlanke, einfach verständliche Skizze des Ist-Zustands, der Ziele und der wichtigsten Massnahmen. Der Fokus sollte auf der Umsetzung liegen, nicht auf dem Papier.
Klare Prioritäten setzen
Eine schlanke Klimastrategie kann nicht jede mögliche Klimaschutz-Massnahme enthalten. Sie erfordert eine gezielte Auswahl von relevanten Massnahmen, die realistisch und wirkungsvoll sind und einen spürbaren Nutzen bringen. Es geht also nicht darum, alles zu machen, sondern klare Prioritäten zu setzen.
Lesetipp zum Thema
Die Bündner Gemeinde Malans hat seit 2023 eine Klima- und Energiestrategie. Gemeinderätin Barbara Meier berichtet im Beitrag «Malans: Klimastrategie mit Vision», wie die Strategie entstanden ist, was sie gekostet hat und wie die Bevölkerung mitreden konnte. Die Gemeinderätin ist überzeugt: Auch wenn Kritiker:innen das Geld statt in ein Strategiepapier lieber direkt in Massnahmen investiert hätten, war die Strategie für Malans die richtige Entscheidung. Sie hilft der Gemeinde, den roten Faden nicht zu verlieren.
Welche Massnahmen sind die passendsten?
Es lohnt sich, hier genau hinzuschauen und sich nichts vorzumachen. Denn mit einer Auswahl an sehr wirkungsvollen Massnahmen, die aber in der eigenen Gemeinde unrealistisch und deshalb nicht umsetzbar sind, ist niemandem geholfen. Aber genauso wenig mit einem Katalog an einfachen Massnahmen, die kaum zur Reduktion des Klimawandels beitragen.
Folgende Massnahmen haben zum Beispiel eine grosse Umweltwirkung:
Heizungsersatz in allen öffentlichen Gebäuden (inkl. Schulhäusern) in den nächsten fünf Jahren
Für Gemeinden mit eigenem Energieversorgungsunternehmen: 100 Prozent erneuerbarer Strom als Standardprodukt festlegen
Ganzen Effort in die Umsetzung eines Fernwärmeverbundes investieren – und möglichst Abwärme nutzen
Für Gemeinden mit eigenem Gasversorgungsunternehmen oder Beteiligungen: Zeitnahen Ausstieg aus der Gasversorgung planen
Offensive zum Ersatz fossiler Heizungen bei Privaten
Förderung der Elektromobilität durch den Ersatz von Gemeindefahrzeugen durch Elektrofahrzeuge, durch das Ausrüsten öffentlicher Parkplätze mit Elektroladestationen oder indem E-Mobilität an Aktionstagen erlebbar gemacht wird (etwa mit Testfahrten).
Förderung von Photovoltaikanlagen auf grossen (landwirtschaftlichen) Dächern
Förderung des Velo- und Fussverkehrs: Schliessen von Netzlücken, Verbesserung der Sicherheit, Fördern von E-Bikes
Welche Massnahmen sind realistischerweise umsetzbar? Welche eher nicht? Eine gezielte Priorisierung ist das Ziel.
Eine breite politische Abstützung führt zu mehr Planungssicherheit.
Weitere wichtige Schritte für eine erfolgreiche Klimastrategie
Häufig geht vergessen, wie wichtig der Rückhalt für den Erfolg einer solchen Strategie ist. Wer ist in welcher Form von der künftigen Strategie betroffen? Diese Stakeholder gilt es einzubeziehen. Nicht nur um sie ins Boot zu holen, sondern weil ihre Inputs dabei helfen können, die Massnahmen besser einzuschätzen und realistischer zu priorisieren.
Dringend empfohlen ist ein formaler politischer Beschluss der erstellten Strategie. Optional kann die Klimastrategie der Gemeindeversammlung oder an der Urne vorgelegt werden. Das ist zwar erst ab einer gewissen Ausgabenhöhe obligatorisch, fördert aber die Legitimation. Eine breite politische Abstützung führt zu mehr Planungssicherheit. Ausserdem entstehen dadurch weniger Diskussionen über Einzelmassnahmen.
Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung
Ist die Klimastrategie einmal verankert, muss sie rasch umgesetzt werden. Zu lange zuzuwarten, kann das Schicksal einer Strategie als Papiertiger bereits besiegeln.
Schnell Erfolge zeigen: Es lohnt sich, mit einer Massnahme zu beginnen, mit der rasch Erfolge sichtbar werden. Das stärkt das Vertrauen in die Strategie und hilft auch dabei, die Motivation aufrechtzuerhalten.
Transparenz: Eine transparente Kommunikation über Fortschritte, aber auch Rückschläge, schafft ebenfalls Vertrauen und stärkt den Rückhalt.
Alle ins Boot holen: Wenn es nicht bereits davor geschehen ist, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt, um Bevölkerung, Verwaltung und die Wirtschaft auf den Weg mitzunehmen. Sei es in Infoveranstaltungen oder mit regelmässigen Updates über die bestehenden Kommunikationskanäle.
Langfristig denken, kurzfristig handeln: Die Umsetzung gelingt Schritt für Schritt, aber mit klarem Ziel.
Zusammenfassung
Die Klimastrategie ist ein Instrument für Verbindlichkeit, Legitimation und systematischen Klimaschutz. Entscheidend ist, die Strategie pragmatisch und wirkungsvoll zu gestalten, mit klaren Prioritäten, sichtbaren Projekten und breiter Beteiligung.

