Gemeinde
Biodiversität
Praxisbeispiel

Massgeschneidert und wandelbar: Ökologische Infrastruktur in Rheinfelden

Christine Arnold
Luftbild der Stadt Rheinfelden am Rhein

·

5 Minuten Lesezeit

Biodiversität

Praxisbeispiel

Rheinfelden (AG) nimmt die Revision der Bau- und Nutzungsordnung zum Anlass, um bestehende Naturwerte gezielt zu sichern und weiterzuentwickeln. Mit ihrem massgeschneiderten Vorgehen zeigt die Stadt, wie laufende Planungsprozesse den Weg für eine Ökologische Infrastruktur ebnen können.

Für eine Ökologische Infrastruktur (ÖI) braucht es nicht immer einen übergeordneten planerischen Entscheid. Auch laufende Planungsprozesse können den Anstoss dazu geben – wie das in der Nordwestschweizer Stadt Rheinfelden (AG) der Fall war. Im Jahr 2023 hat die Verwaltung gemeinsam mit einem Planungsbüro ihren Richtplan Landschaft und Erholung (RLE) überarbeitet – als Arbeitsinstrument für die Verwaltung und als Grundlage für die Revision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO).

Das übergeordnete Ziel im Bereich Natur und Ökologie war klar: Die Gemeinde will ihre Naturwerte schützen und qualitativ wie auch quantitativ aufwerten. Dafür lagen zahlreiche Grundlagen vor, zum Beispiel:

  • neues Naturinventar für die Landwirtschafts- und Siedlungsgebiete

  • verschiedene bestehende Reservate und Gebiete mit Nutzungsverzicht im Wald

  • Schutzgebiete von nationaler, kantonaler und kommunaler Bedeutung im ganzen Gemeindebann

Vom Richtplan zum grundeigentümerverbindlichen Schutz

Die Naturwerte aus diesen Grundlagen sollten im RLE abgebildet werden. Dieser ist als selbstbindendes Arbeitsinstrument für die Gemeinde behördenverbindlich, aber für die Grundeigentümerschaften nicht rechtlich bindend. Der grundeigentümerverbindliche Schutz besonders wertvoller Lebensräume wird mit der Revision der BNO neu definiert. Die Grundlage für die Diskussion der Schutzgebiete in der BNO bildet der RLE.

Immer wieder stellte sich in der Verwaltung die Frage: Mit welchen Werkzeugen lassen sich all die Grundlagen im RLE so zusammenbringen, dass daraus eine Empfehlung für den grundeigentümerverbindlichen Schutz wertvoller Lebensräume in der BNO abgeleitet werden kann? Die Stadt im Fricktal fand die Antwort im Konzept der Ökologischen Infrastruktur.

Die ÖI bildet eine fachlich fundierte und nach stringenter Methodik hergeleitete Diskussionsgrundlage über die Schutzgebiete.

Empfehlungen zuhanden der Nutzungsplanung

Die Verantwortlichen schieden die Flächen der ÖI basierend auf bestehenden Grundlagen rund um die Naturwerte aus und verzichteten auf eine übergeordnete Definition. Eine Aufteilung in verschiedene Lebensraumtypen – beispielsweise in Feuchtgebiete oder Ruderalflächen – nahm die Stadt Rheinfelden nicht vor. Dadurch liessen sich die Flächen so gruppieren und kategorisieren, dass ein Vorschlag zuhanden der Nutzungsplanung ausgesprochen werden konnte: Die ausgeschiedenen Kerngebiete der ÖI in der BNO grundeigentümerverbindlich zu schützen – also als Naturschutzgebiete auszuscheiden.

Die Lage der Schutzgebiete und ihre Ausdehnung müssen im Rahmen der BNO-Revision für jedes Kerngebiet diskutiert werden. Die Ökologische Infrastruktur bildet eine fachlich fundierte und nach stringenter Methodik hergeleitete Grundlage für diese Diskussion. Aktuell wird in Rheinfelden an den Entwürfen der BNO und des Bauzonenplans gearbeitet. Die öffentliche Mitwirkung und damit der Start zu diesen Diskussionen soll noch 2025 durchgeführt werden.

Lageplan der Ökologischen Infrastruktur in Rheinfelden

Bei den Kerngebieten (violett), Kerngebieten mit Wald (violett gestrichelt) und Vernetzungsgebieten (dunkelgrün) geht es um Erhalt und Pflege. Bei den Potenzialgebieten (orange) steht eine künftige Aufwertung im Raum. Bild: Stadt Rheinfelden

Vernetzungsachsen haben in Rheinfelden Tradition

Innerhalb der ÖI sind neben den Kerngebieten auch flächige Vernetzungsgebiete definiert, die zwar eine ökologisch gute Qualität aufweisen, aber die Anforderungen an Kerngebiete nicht erfüllen. Sie ermöglichen den Arten innerhalb der vernetzten Lebensräume die Wanderung zwischen den Kerngebieten und übernehmen temporär durchaus auch Funktionen als Lebensräume.

Die Flächenelemente der ÖI werden in Rheinfelden ergänzt durch lineare Vernetzungsachsen. Die Stadt arbeitet seit fast 30 Jahren mit dem System linearer Verbindungen zwischen Lebensräumen. Das System hat sich bewährt und ist über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt. Es lag deshalb nahe, die bewährte Grundlage nicht tiefgreifend zu verändern, zu vereinfachen oder ins System der ÖI zu integrieren. Entsprechend wurden lediglich minimale Anpassungen vorgenommen, sodass die Vernetzungsachsen wieder die aktuellen Begebenheiten abbilden.

Bevölkerung begrüsst die Ökologische Infrastruktur

Ein Entwurf des RLE lag im Frühling 2024 vor. Die Öffentlichkeit hatte im Sommer 2024 die Möglichkeit, den Entwurf zu lesen, kritisch zu hinterfragen und Verbesserungsvorschläge anzubringen. Das Echo im Bereich ÖI war positiv. Die Aufnahme einer ÖI in die Planungsinstrumente der Stadt erhielt mehr Lob als Kritik. Dass mit dem beschriebenen, auf Rheinfelden zugeschnittenen Vorgehen die planerische, übergeordnete Formulierung einer ÖI wegfallen würde, führte nicht zu Diskussionen.

Im Mitwirkungsverfahren gab es Vorschläge sowohl zu Ergänzungen als auch zum Streichen gewisser Flächen. Bei der Überarbeitung wurde eine Fläche ergänzt – auch, weil dies möglich war, ohne von der Methodik abzuweichen. Weitere Ergänzungen und Änderungen sind auch künftig nicht auszuschliessen: Da sowohl einzelne Grundlagen als auch der gesamte RLE periodisch aktualisiert werden sollen, ist die Rheinfelder ÖI wandelbar.

Das passt zur Rheinfelder ÖI: Sie macht die aktuelle Situation sichtbar und definiert konkrete Flächen, deren Aufwertung mittelfristig realistisch erscheint. Ein Wunschszenario hingegen bilden die Kern- und Vernetzungsgebiete der Rheinfelder ÖI nicht ab: Sie zeigen nicht, wie eine ÖI als solide Basis für den Biodiversitätsschutz aussehen müsste. Damit ist sie eine etwas andere Grundlage, aber ein nicht minder gutes Instrument für die Förderung der Natur und den Schutz der Biodiversität.

Erkenntnisse aus Rheinfelden

  • Viel Informationsarbeit auf allen Seiten ist zentral: Ein gemeinsames Verständnis für die Ökologische Infrastruktur muss geschaffen werden.

  • Die Flächenauswahl, die für alle stimmt, gibt es wohl nicht.

  • Herleitungskonzept erstellen und daran festhalten, grösstenteils basierend auf einer fachlichen, politisch nicht behafteten Grundlage.

  • Auf Ebene Nutzungsplanung muss jede Fläche, die für einen grundeigentümerverbindlichen Schutz (neu) in Frage kommt, diskutiert werden.

Titelbild: Rheinfelden


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