Gemeinde
Abfall und Konsum
Praxisbeispiel

Nachhaltigkeit trifft Nachbarschaft: Von Repair-Cafés, Flohmärkten und Co.

Remo Bräuchi

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7 Minuten Lesezeit

Abfall und Konsum

Praxisbeispiel

Bring- und Holtage, Repair-Cafés, Flohmärkte – Aktionen für einen ressourcenschonenden Lebensstil gibt es viele. Doch welche funktionieren wirklich? Was ist aus dem Experiment Mehrwerttag in Bottmingen (BL) geworden? Und wie laufen die Quartierflohmärkte in der Stadt Basel? Ein Blick in die Region Basel zeigt: Wer ausprobiert und offen für Neues ist, findet die passenden Aktionen für die eigene Gemeinde.

Aktionstage sind ein wichtiges Instrument für Gemeinden, um den Dialog mit ihren Einwohner:innen zu stärken. Den sozialen Austausch zu fördern und gleichzeitig ökologische und gesellschaftliche Ziele zu verfolgen – das versteht Sabine Pfammatter, Ressortverantwortliche Natur, Energie und Umwelt in Bottmingen (BL), als eine zentrale Aufgabe. So entstand 2020 im Austausch mit der Bevölkerung die Idee eines «Mehrwerttags»: eine Plattform, welche die Kreislaufwirtschaft aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und gleichzeitig den Dialog unter und mit den Einwohner:innen stärkt.

Probieren geht über Studieren

Der Bottminger Mehrwerttag fand seitdem viermal statt. Für Pfammatter war jedoch die Flexibilität bei der Umsetzung entscheidend. Keine Veranstaltung glich der vorherigen: Das Konzept wurde mehrfach angepasst und kontinuierlich überdacht.

Sabine Pfammatter, Bottmingen

«Wer nichts ausprobiert, kann nichts lernen.»

Sabine Pfammatter, Ressortverantwortliche Natur, Energie & Umwelt in Bottmingen

Doch obwohl der Aktionstag basierend auf den Erfahrungswerten optimiert wurde, blieb die Resonanz hinter den Erwartungen zurück. «Es hat sich gezeigt, dass einzelne Elemente gut funktionieren, aber die Kombination verschiedener Ideen unter einem Dach der Kreislaufwirtschaft weniger. Der Erfolg liegt hier in individuellen Angeboten und Dienstleistungen», stellt Sabine Pfammatter fest. Sie sieht die Mehrwerttage dennoch als wertvolle Erfahrung: «Wer nichts ausprobiert, kann nichts lernen.»

Chance gepackt: Repair-Café kommt ins Rollen

Aus dem Aktionstag hervorgegangen ist das Repair-Café – eine Erfolgsgeschichte, wie sich mittlerweile gezeigt hat. Dass die Durchführung nun monatlich stattfinden kann, ist einem Zusammentreffen einiger glücklicher Faktoren zu verdanken: Die Organisator:innen aus der Nachbargemeinde Binningen waren auf der Suche nach einer Zwischenlösung. Pfammatter hat diese Chance erkannt und ihren Handlungsspielraum dafür genutzt, um dem heimatlosen Repair-Café eine permanente Bleibe zu geben.

Die neuen Räume – zentral, barrierefrei und mit Aussenbereich – bieten nicht nur die nötige Infrastruktur, sondern auch eine Atmosphäre, die den sozialen Charakter des Repair-Cafés unterstreicht. «Die Aufenthaltsqualität ist entscheidend», erklärt Pfammatter. Sie ist überzeugt davon, dass das Café aus dem Gemeindeleben bald nicht mehr wegzudenken sein wird.

Das Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung überzeugte auch den Regierungsrat Basel-Landschaft: Er zeichnete den Verein «Repair Café Binningen-Bottmingen» vor Kurzem mit dem Freiwilligenpreis im Sozialbereich 2024 aus.

Was funktioniert sonst noch in Bottmingen?

In Bottmingen haben sich verschiedene Aktionen bewährt: So zum Beispiel der Wildpflanzenmarkt, gemeinsam organisiert mit der Natur- und Umweltschutzkommission, oder die Velosammlungen, um alte Fahrräder mit Velafrica einer neuen Bestimmung zuzuführen. Selbst kleinere Projekte, wie die Korkensammlung, haben sich als überraschend erfolgreich erwiesen: «Korken bieten Gesprächsstoff – wer hätte das gedacht?», sagt Pfammatter schmunzelnd. 

Doch nicht alle Angebote haben ihr Publikum gefunden: Sensibilisierungsangebote wie Upcycling-Workshops, Abfall-Puzzles, der Bücher-Flohmarkt oder Zero-Waste-Stände fanden weniger Anklang. Die Gründe dafür sind nicht immer offensichtlich. Schlechtes Wetter am Aktionstag kann genauso eine Rolle spielen wie die Bevölkerungsstruktur Bottmingens: «Wir sind zwar nahe an Basel, aber weniger urban geprägt», so Pfammatter.

Auf einem Tisch in einem Schulzimmer stehen verschiedene Kinderspielsachen wie Plüschtiere, Gesellschaftsspiele und anderes, aufgereiht für einen Flohmarkt.

Wenn Spielsachen ein neues Zuhause finden. Bild: Sabine Pfammatter

Die Umweltverantwortliche freut sich über frische Ideen – auch aus der Bevölkerung. «Zivilgesellschaftliches Engagement ist wertvoll und wir unterstützen gern, wo wir können.» Selbst blickt sie auf der Suche nach neuen Initiativen gern über den eigenen Tellerrand hinaus, etwa nach Basel, wo Quartierflohmärkte dank der Initiative von Privatpersonen grossen Anklang finden.

Quartierflohmärkte: Erfolgsmodell in Basel

Was 2016 in zwei Basler Quartieren begann, hat sich inzwischen zu einem festen Bestandteil des Quartierlebens entwickelt. «Die Quartierflohmärkte sind eine echte Erfolgsgeschichte», freut sich Christine Renold, Vorstandsmitglied des Vereins Stadtprojekt und Mit-Initiatorin der beliebten Events. Heute finden jährlich 15 Flohmärkte statt, die Menschen aus den Quartieren zusammenbringen und eine Plattform für Austausch und Nachhaltigkeit bieten.

An einem Flohmarkt im Quartier stehen verschiedene Porzellan-Gegenstände auf einer Ablage, dahinter stöbern junge Menschen durch den Flohmarkt.

Die Gemeinschaft ist ein wichtiger Aspekt bei den Quartierflohmärkten. Bild: Quartierflohmi Basel

Mitmachen leicht gemacht

Ob Garten, Innenhof oder Vorplatz – einmal im Jahr können Anwohner:innen ihre Türen öffnen und Dinge verkaufen, die sie nicht mehr benötigen. «Der Impuls dafür muss aus der Nachbarschaft selbst kommen. Es ist eine Aktion des Quartiers fürs Quartier», erklärt Renold. Dieser Bottom-up-Ansatz ist für sie der Schlüssel zum Erfolg, denn er stärkt nicht nur die Gemeinschaft, sondern sorgt auch für eine persönliche Atmosphäre. «Menschen geben Dinge gern weiter, wenn sie wissen, dass sie in guten Händen sind.»

Die Flohmärkte werden zwar von Privatpersonen organisiert, doch die Stadt Basel unterstützt das Konzept. Im Rahmen der Quartierflohmärkte organisiert das Amt für Umwelt und Energie (AUE) die «bring&nimm»-Aktion: Wer keine Zeit für den Flohmarkt hat, kann seine Artikel ganz einfach bei «bring&nimm» vorbeibringen. Dort sorgt eine sorgfältige Triage der Verantwortlichen dafür, dass nur hochwertige Dinge weitergegeben werden. Was nicht sofort ein neues Zuhause findet, wird von der Stadt zwischengelagert – vielleicht klappt es beim nächsten Flohmarkt.

Vor einem Hauseingang stehen Stühle und Tische, auf denen Gegenstände ausgelegt sind. Rundherum halten sich ein Junge, mehrere Erwachsene und eine ältere Dame mit Gehstock auf.

Ein Tag für Gross und Klein. Bild: Quartierflohmi Basel

Eine lebendige Nachbarschaft

Die Quartierflohmärkte sind mehr als nur eine Gelegenheit, Dinge loszuwerden oder ein Schnäppchen zu machen. Sie schaffen Begegnungen, fördern den Austausch und stärken den sozialen Zusammenhalt.

Für Sabine Pfammatter in Bottmingen vereinen die Events verschiedene erfolgreiche Aspekte aus dem Mehrwerttag. Sie wird dem Konzept auch in Bottmingen eine Chance geben: «Wir können voneinander lernen und gemeinsam neue Wege gehen.»

Titelbild: Quartierflohmi Basel


Abfallvermeidung ist eines der drei strategischen Ziele der Abfall- und Ressourcenplanung der Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt 2023. Dazu gehört auch die Kommunikation von erfolgreichen Projekten und Aktionen zur Abfallvermeidung (Abfall- und Ressourcenplanung 2023). Deshalb unterstützt der Kanton Basel-Landschaft Pusch bei der Verbreitung der Erfahrungen aus Bottmingen und Basel.
Mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) veröffentlicht Pusch 2024 ausserdem eine Serie von Artikeln zu den Themen Abfall und Konsum. Die Beiträge bieten Gemeinden Fachwissen und Inspiration, um einen ressourcenschonenden Lebensstil zu fördern.


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