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Die wahren Kosten: Eigentums- und Lebenszykluskosten im Vergleich

Nadine Siegle
Ein Rechner liegt neben einer Tastatur

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Der Kaufpreis allein sagt wenig über die Wirtschaftlichkeit eines Produkts aus. Betrieb, Wartung und Entsorgung, aber auch Umweltfolgen haben Einfluss auf die wahren Kosten. Eine umfassendere Beurteilung liefern die Eigentumskosten und die Lebenszykluskosten. Was steckt hinter diesen Begriffen? Und wie kommen sie in der öffentlichen Beschaffung zur Anwendung?

Die Lebenszykluskosten sind seit der Revision des Beschaffungsrechts des Bundes und der Kantone ein zulässiges Zuschlagskriterium in der öffentlichen Beschaffung (Art. 29 BöB/IVöB). «Es ist mittlerweile bekannt, dass die Anschaffungskosten nicht das einzige relevante Preiskriterium bei einer Beschaffung sind», betont Patricia Letemplé, Pusch-Expertin für nachhaltige Beschaffung. Aber was bedeutet das überhaupt?

Dazu müssen wir erst einmal zwei Berechnungen genauer verstehen:

  • Eigentumskosten (Total Cost of Ownership)

  • Lebenszykluskosten (Life Cycle Costs)

Was sind Total Cost of Ownership?

Die Eigentumskosten, auch Total Cost of Ownership (TCO) genannt, umfassen neben dem Einkaufspreis auch die Kosten, die während der gesamten Eigentumszeit durch die Nutzung entstehen:

  • Kauf: Anschaffungskosten (Kaufpreis, aber zum Beispiel auch Lieferkosten)

  • Nutzung: direkte Betriebskosten (zum Beispiel Energie- oder Wasserverbrauch), indirekte Betriebskosten (wie etwa Wartung, Instandsetzung, Versicherung) und Ersatzteilkosten

  • Lebensende: Kosten für die fachgerechte Entsorgung oder Rückgabe (beim Bau beispielsweise Rückbaukosten)

Eigentumskosten am Beispiel eines Fahrzeugs

Bei der Anschaffung eines Fahrzeugs fallen neben dem Kaufpreis beispielsweise Kosten für die Lieferung oder die Fahrzeugzulassung an.

Die Kosten der Fahrzeugnutzung hängen vom gewählten Antrieb ab (Elektro- oder Verbrennermotor), denn Strom ist in der Regel günstiger als Benzin und Diesel. Bei Elektrofahrzeugen ist möglicherweise eine zusätzliche Ladeinfrastruktur nötig, die Kosten verursacht. Aber auch die Kosten für Versicherungen, Steuern und den Service können sich je nach Fahrzeug- und Antriebstyp unterscheiden. Damit die Angebote vergleichbar sind, sollte in der Ausschreibung möglichst klar definiert werden, welche Kosten einzuberechnen sind.

Das Nutzungsende eines Fahrzeugs ist häufig noch nicht dessen Lebensende. Soll das Fahrzeug am Ende der Nutzungsdauer weiterverkauft werden, fliesst der Restwert auch in die gesamten Eigentumskosten ein. Bei der Beschaffung könnte das bedeuten, dass die Angebote einen Rückkaufswert nach einer bestimmten Nutzungsdauer beinhalten müssen.

Maria-Luisa Kargl

«Die Anwendung der TCO in der Beschaffung ist ein wichtiger erster Schritt und auch für kleinere Gemeinden machbar.»

Maria-Luisa Kargl, Projektleiterin Nachhaltige öffentliche Beschaffung, Pusch

Was sind Life Cycle Costs?

Die Lebenszykluskosten, auch Life Cycle Costs (LCC) genannt, umfassen zunächst einmal die bereits erläuterten Eigentumskosten (TCO). Darüber hinaus sind auch schwieriger zu beziffernde Kosten enthalten, wie die Kosten von Risiken. Klassischerweise umfassen die LCC mindestens zwei Ebenen:

  • Eigentumskosten (Anschaffungs-, Nutzungs- und Entsorgungskosten, siehe oben)

  • Kosten von Risiken und der finanzielle Nutzen von Chancen

Ein Risiko mit Kostenauswirkung könnten zum Beispiel steigende Strompreise sein. Dem gegenüber könnten neue Förderbeiträge für die relevante Produktgruppe als sogenannter finanzieller Nutzen von Chancen in die Berechnung einfliessen (siehe auch Box «Lebenszykluskosten am Beispiel eines Fahrzeugs»). Die Kosten von Risiken und der Nutzen von Chancen lassen sich aber nur berechnen, wenn Annahmen über bevorstehende Entwicklungen getroffen werden. Deshalb sind sie mit mehr Unsicherheiten verbunden.

Die umfassendste Lebenszyklus-Berechnung berücksichtigt zudem eine noch komplexere dritte Ebene: Die monetären indirekten Kosten für Umwelt und Gesellschaft, sogenannte externe Kosten (in der Grafik Stufe 4). Die nicht monetarisierbaren externen Effekte hingegen werden nicht zu den Lebenszykluskosten hinzugerechnet (Grafik Stufe 5).

Grafik zur Zusammensetzung der Life Cycle Costs: vom Preis über die gesamten Eigentumskosten bis hin zu Risiken und Lebenszykluskosten.

Die TCO umfassen den Kaufpreis (1) sowie die gesamten Kosten während der Zeit des Eigentums (2). In die klassischen Lebenszyklus-Kosten (LCC) fliessen auch die Risiken und Chancen (3) ein. Noch weiter geht die umfassendste LCC-Berechnung, die auch die monetären externen Kosten einbezieht (4). Bild: Initiative «Vorbild Energie und Klima»

Wie berechnen sich externe Kosten?

Externe Kosten entstehen zum Beispiel, wenn ein Produkt oder dessen Herstellung gesundheitsschädigend ist oder durch den CO2-Ausstoss einen Einfluss auf das Klima hat. Diese indirekten Kosten sogenannter umwelt- und sozialbezogener externer Effekte werden nicht direkt von Eigentümer:innen und Nutzenden getragen. Deshalb spricht man von externen Kosten.

Lebenszykluskosten am Beispiel eines Fahrzeugs

Die TCO eines Fahrzeugs haben wir oben bereits zusammengefasst. Dazu kommen bei der LCC-Berechnung nun die Risiken und Chancen sowie die externen Kosten.

Mögliche Risiken beim Kauf eines benzinbetriebenen Fahrzeugs könnten in Zukunft zum Beispiel die Kompensation von CO2-Emissionen oder die höhere Besteuerung von Benzin beinhalten. Für Elektrofahrzeuge könnten steigende Strompreise ein Risiko darstellen. Förderbeiträge für E-Fahrzeuge fliessen auf der anderen Seite als Chancen in die Berechnung ein.

Indirekte Kosten für Umwelt und Gesellschaft entstehen etwa durch Treibhausgas-Emissionen, Luftverschmutzung oder Lärmbelastung des Strassenverkehrs. Die daraus resultierenden Kosten, zum Beispiel Gesundheitskosten, trägt die Gesellschaft. Ebenso die Auswirkungen des Klimawandels, der durch den Ausstoss von CO2 angekurbelt wird.

Die externen Kosten zu monetarisieren, ist kompliziert. Wer beim Einkauf die umfassenden Lebenszykluskosten eines Produkts (also inklusive monetärer externer Kosten) vergleichen will, ist auf Hilfsmittel zur Berechnung angewiesen. Solche hat die Initiative des Bundes «Vorbild Energie und Klima» (VEK) entwickelt. 

Mit dem LCC-Tool von VEK können die Lebenszykluskosten von vorerst drei Produktgruppen berechnet werden:

  • IKT-Geräte

  • Gebäudetechnik-Anlagen

  • Fahrzeuge

Was heisst das für Beschaffungsverantwortliche?

«Die Anwendung der Total Cost of Ownership in der Beschaffung ist ein wichtiger erster Schritt und auch für kleinere Gemeinden machbar», betont Maria-Luisa Kargl, Pusch-Projektleiterin Nachhaltige öffentliche Beschaffung und Labels. «Wer beim Einkauf nicht nur auf den Anschaffungspreis achtet, sondern konsequent die Total Cost of Ownership berücksichtigt, leistet bereits einen wertvollen Beitrag zu Qualitätswettbewerb, Nachhaltigkeit und Innovationsförderung.»

LCC-Berechnung für erfahrene Einkäufer:innen

Die Berücksichtigung der Lebenszykluskosten, etwa mithilfe der VEK-Tools, ist etwas für Fortgeschrittene. Der Projektleiter der LCC-Tools, Simon Martin von der Weisskopf Partner GmbH, ist aber überzeugt: Für grössere Beschaffungen, die zum Beispiel hohe Treibhausgas-Emissionen verursachen, lohne sich eine Lebenszyklusbetrachtung. Denn: «Erfolgt bereits bei der Variantenprüfung eine LCC-Betrachtung, kann diese zu wichtigen Erkenntnissen führen. Die LCC-Tools von VEK bieten eine pragmatische Herangehensweise und ermöglichen die Berücksichtigung von externen Kosten aufgrund von Treibhausgas-Emissionen.»

Nicht vergessen: Methode und Kategorien offenlegen

«Wer in der Ausschreibung auf LCC setzt, muss zwingend die Berechnungsmethode respektive die Tabelle, die als Vergleichsbasis dient, mitliefern», betont Pusch-Expertin Patricia Letemplé. Bei einer Ausschreibung mit TCO-Berechnung müssen die Kategorien offengelegt werden, die verglichen werden.


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