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Klima und Energie
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Was ist eigentlich Umweltverschmutzung und wie wird sie gemessen?

Katja Busch
Lara Läubli
Erdölraffinerie mit mehreren Kaminen und einem Bergpanorama im Hintergrund.

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7 Minuten Lesezeit

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Was belastet die Umwelt mehr: ein Stück Steak oder die Autofahrt von Zürich nach Zug? Und wieso? Die Umweltauswirkungen von Alltagshandlungen sind komplex und auf den ersten Blick nur schwer abzuschätzen. Sogenannte Umweltbelastungspunkte können helfen. Das steckt dahinter. 

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort «Umweltverschmutzung» hören? Von Kindern, aber auch von Erwachsenen wird der Begriff häufig mit Littering assoziiert. Das ist naheliegend, da Abfall in der Natur, am Strassenrand, auf Wiesen oder am Flussufer stört und die Umweltverschmutzung sichtbar macht.

Doch Umweltverschmutzung ist mehr als nur das für uns Sichtbare. Sie geschieht oft unbemerkt. Dabei stellt sich die Frage, was überhaupt für die Umwelt problematisch ist – und ab welcher Menge. Das lässt sich nicht immer allgemeingültig beantworten.  

Das «Wo?» ist zentral

Besonders heikel ist, wenn etwas verschmutzt oder beschädigt wird, das knapp ist, das also nicht in Überfluss zur Verfügung steht. So wirkt sich beispielsweise eine Wasserverschmutzung an einem Ort, an dem es sehr wenig Wasser gibt, viel stärker aus, als an einem Ort, an dem Wasser in Hülle und Fülle vorhanden ist. Oder: In einer Region, in der es fast keinen Wald (mehr) gibt, ist die Abholzung von einem Quadratkilometer Wald viel problematischer als in einer Region mit einer riesigen Waldfläche. Um einen möglichen Schaden an der Umwelt abzuschätzen, sind also auch die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. 

Eine Berechnung mit vielen Faktoren 

Eine Methode zur Beurteilung von Umweltauswirkungen, an der sich Pusch gerne orientiert, ist die «Methode der ökologischen Knappheit 2021». Um die Umweltbelastung eines Produkts oder einer Aktivität zu berechnen, berücksichtigt diese Methode mehrere Faktoren. So werden der Ressourcenverbrauch, die Emissionen, aber auch der entstehende Abfall betrachtet: 

  • Emissionen in Luft, Boden und Wasser, also beispielsweise Treibhausgase, Schwermetalle, Lärm, Pestizide, hormonaktive Substanzen, Öl, Nährstoffe oder Plastik in Böden  

  • Verbrauch von Ressourcen, wie zum Beispiel Wasser, Holz, Uran, Öl, Kies, Biodiversität oder Fischbestände 

  • Entstehender Abfall beziehungsweise Sonderabfall, wie etwa Pestizide, Laugen, Säuren, reiz- und brennbare Substanzen oder radioaktiver Abfall 

Anschliessend werden die potenziellen Umweltauswirkungen für alle diese Faktoren abgeschätzt. Dabei helfen Leitfragen, wie zum Beispiel: 

  • Wie sehr verstärkt etwas den Treibhauseffekt?  

  • Wie stark trägt etwas zur Versauerung der Ozeane bei? Oder zur Verknappung von Ressourcen, wie zum Beispiel Wasser? 

  • Wie gross ist das ökotoxische Potenzial?  

  • Wie stark schädigt etwas die Biodiversität?  

Eine zerdrückte Pepsi-Petflasche und ausgedrückte Zigarettenstummel liegen auf dem Asphalt.

Bei Umweltverschmutzung denken viele an Littering. Der grösste Teil der Umweltbelastung ist aber nicht direkt sichtbar. Bild: Pusch

Welches «schlecht» ist schlechter? 

Nun stellt sich die Frage, wie die einzelnen Umweltauswirkungen zueinanderstehen. Ist zum Beispiel der Treibhauseffekt schlimmer als die Ozeanversauerung oder der Biodiversitätsverlust? Hier ist eine Gewichtung nötig. Diese geschieht bei der genannten Methode der ökologischen Knappheit anhand der Umweltziele der Schweiz: Je weiter weg ein Wert vom Zielwert ist, desto stärker wird eine Umweltauswirkung gewichtet. Aktuell erhält das Klima am meisten Gewicht. 

Die Masseinheit, mit der die Auswirkungen beziffert werden, sind die sogenannten Umweltbelastungspunkte (UBP). Trotz der Komplexität, die dahintersteckt, sind die UBP ganz einfach zu lesen: Je mehr Punkte, desto grösser die Umweltbelastung. So können verschiedene Produkte oder Aktivitäten bezüglich ihrer Umweltauswirkung miteinander verglichen werden, ähnlich wie Geld den monetären Wert von Produkten oder Dienstleistungen vergleicht.  

Was steckt in 1000 UBP? 

  • 2,2 Rollen WC-Papier 

  • 14 Gramm Rindfleisch 

  • 7 Prozent eines Baumwoll-T-Shirts 

  • 2,9 Kilometer einer Flugreise innerhalb Europas  

Der Vergleich lässt sich mit verschiedensten Produkten oder Aktivitäten, die 1000 Umweltbelastungspunkten entsprechen, veranschaulichen. Weitere Beispiele hat Carbotech auf ihrer Website zusammengefasst. 

Eine Methode mit Vor- und Nachteilen 

Der Vorteil der genannten Methode ist, dass sie mehr Umweltauswirkungen einschliesst als zum Beispiel der CO2- und der ökologische Fussabdruck oder der Energieverbrauch (2000-Watt-Gesellschaft).

Trotz der Komplexität, die dahintersteckt, sind die Umweltbelastungspunkte ganz einfach zu lesen: Je mehr Punkte, desto grösser die Umweltbelastung.

Zudem ist die Bewertung einfach verständlich – sie beantwortet die Frage «Was ist für die Umwelt besser?» – und orientiert sich an den Umweltzielen der Schweiz. Das heisst: Entscheidungen aufgrund der UBP-Methode orientieren sich an der Schweizer Umweltgesetzgebung.  

Letzteres Argument ist gleichzeitig auch ein Nachteil: Die Orientierung an der Gesetzgebung bedeutet, dass der Fokus mehr auf dem liegt, was im Gesetz steht, und weniger auf dem, was nicht drinsteht. Folglich sind alle Ergebnisse nur für die Schweiz gültig. Sie könnten allerdings auf andere Länder angepasst werden.  

Der grosse Vorteil, dass UBP so einfach zu lesen sind, ist gleichzeitig auch ein Nachteil dieser Methode. Denn das Resultat ist eine Zusammenfassung. Die Gesamtpunkte zeigen nicht, welche Art der Umweltbelastung in einem spezifischen Fall am meisten ins Gewicht fällt. Die UBP sind ein aggregierter Wert, der keine Aussage dazu macht, welches sozusagen die grössten Übeltäter der Gesamtberechnung sind.  

Optionen für Alltagshandlungen aufzeigen

Umweltbelastung geht weit über gelitterte Plastikverpackungen hinaus. Diese belasten die Umwelt natürlich auch, sind aber leider erst die Spitze des Eisbergs. Und was kann man nun als Institution, als Schule, Gemeinde oder als Unternehmen tun? Wichtig ist vor allem, ein Bewusstsein für Umweltbelastungen und die problematischen Bereiche zu schaffen und dabei sinnvolle Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Es geht primär darum, die Denkweise zu schulen, dass… 

  • Umweltbelastungen sehr vielschichtig sind: Viele Faktoren beeinflussen, wie umweltbelastend eine alltägliche Entscheidung oder Handlung ist. 

  • ein Grossteil (67 Prozent) unserer Umweltbelastung im Ausland anfällt und somit für uns nicht sichtbar ist.

Schweizer Umweltbelastung viel zu hoch 

Zählt man alle Umweltbelastungen einer in der Schweiz lebenden Person während eines Jahres zusammen, ergibt das eine Summe von 25,8 Millionen UBP. Das entspricht der Umweltbelastung von 6,25 Tonnen Brot oder etwa 50 Flügen von Zürich nach Stockholm. Der Wert ist zwar in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken, liegt aber immer noch deutlich über dem ökologisch verträglichen Wert von 5,8 Millionen UBP pro Person und Jahr, mit dem die Schweizer Umweltziele eingehalten werden könnten (siehe «Umwelt-Fussabdrücke der Schweiz: Entwicklung zwischen 2000 und 2018», eine vom Bundesamt für Umwelt in Auftrag gegebene Studie). Folglich wäre eine Reduktion um 20 Millionen UBP pro Person nötig.

Grafik der Umweltauswirkungen im In- und Ausland, die zeigt, dass viel mehr Umweltbelastung im Ausland anfällt..

Die Alltagshandlungen der Schweizer Bevölkerung belasten die Umwelt im Ausland (rot) viel mehr als im Inland (blau). Die Belastbarkeitsgrenze liegt bei 5,8 Millionen UBP pro Person. Bild: BAFU/Berechnungen EBP

Vor grossen Herausforderungen stehen wir insbesondere beim Thema Biodiversität. Unser Fussabdruck hat sich hier bisher nicht verringert – die Biodiversität schwindet weiter massiv (siehe Artikel «Biodiversitätsverlust: Breite Sensibilisierung dringend notwendig»). Besonders brisant ist zudem, dass knapp 70 Prozent der Umweltbelastung im Ausland anfallen. Denn viele umweltintensive Produktionszweige sind im Ausland angesiedelt, da dort die Produktionskosten tiefer sind. Zudem ergreift die Schweiz im Inland mehr Massnahmen als im Ausland, um die Umweltauswirkungen zu reduzieren.

Was kann jede:r Einzelne tun? 

Wir müssen also unsere Umweltbelastungen reduzieren – und zwar drastisch. Für den Alltag stellt sich aber die Frage, wo eine Privatperson die grösste Umweltbelastung verursacht. Welches sind die grossen Hebel? Die drei wichtigsten Bereiche gemäss der erwähnten Studie über die Schweizer Umwelt-Fussabdrücke sind das Wohnen, die Ernährung und die Mobilität. 

Grafik der Umweltbelastungen aufgeschlüsselt nach Endnachfragebereichen und farblich unterschieden zwischen Inland und Ausland..

Die Umweltbelastungen aufgeschlüsselt nach Lebensbereichen. Bild: BAFU / Berechnungen EBP

Bei der Mobilität heisst das zum Beispiel: Zug statt Auto. Denn für die gleiche Menge an Umweltbelastungspunkten legt eine Person auf Schienen viel mehr Kilometer zurück als im Auto. Genauer gesagt: 1,9 Kilometer mit dem Auto entsprechen gleich viel Umweltbelastung (1000 UBP) wie 23 Kilometer per Zug. 

Wer bei der Ernährung vermehrt auf die Umweltbelastung achten möchte, ersetzt tierische mit pflanzlichen Produkten: Die eigenen Umweltbelastungspunkte können durch einen veganen Lebensstil um 35 Prozent gesenkt werden. Wem das zu extrem ist: Es muss nicht gleich eine komplette Umstellung sein. Jedes einzelne Steak, das weniger gegessen wird, spart bereits rund 18‘000 UBP. 

Und was belastet die Umwelt nun mehr: ein Stück Steak oder die Autofahrt von Zürich nach Zug? Eine Autofahrt von 34 Kilometern mit einem Verbrennungsmotor belastet die Umwelt gemäss Berechnungen von Carbotech im Umfang von rund 16’500 UBP, also etwas weniger als das Rindssteak. 

Umweltschutz in der Schule

Pusch unterstützt Lehrpersonen dabei, die Umweltbelastung in verschiedenen Bereichen, insbesondere auch in den wichtigen Themen Wohnen, Ernährung und Mobilität, im Unterricht zu thematisieren. Interessierte Lehrpersonen können Umweltunterricht buchen, finden Inspiration in passenden Unterrichtsmaterialien, können eine Projektwoche zum Thema Food Waste durchführen, Hilfestellung für die alltägliche Vermeidung von Food Waste im Kindergarten (siehe Artikel «Znüni retten statt wegwerfen») erhalten oder sich über das Projekt Artenvielfalt macht Schule für die Biodiversität einsetzen. Auch auf ihren Betrieb kann die Schule ein Auge haben und zum Beispiel Möglichkeiten der nachhaltigen Beschaffung oder der Vermeidung von Food Waste in der Hortverpflegung prüfen.

Titelbild: C. Laubacher


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